Urteil: Kein Wegovy auf Kassenrezept 10.12.2025 07:59 Uhr
Kassenpatientinnen und -patienten haben keinen Anspruch auf Kostenübernahme für das Arzneimittel Wegovy. Das Präparat mit dem Wirkstoff Semaglutid diene der Gewichtsregulierung und unterliege dem gesetzlichen Leistungsausschluss, entschied das Sozialgericht Stuttgart (SG).
Eine 1996 geborene Patientin hatte bei ihrer Kasse die Versorgung mit Wegovy beantragt. Ihre Hausärztin habe Adipositas diagnostiziert, der Ausgangs-Body-Mass-Index (BMI) habe bei 47 kg/m² gelegen. Seit Beginn der Behandlung habe sie Gewicht reduzieren können; ihr müssten daher die bisher entstandenen Kosten sowie die zukünftige Versorgung mit Medikament Wegovy erstattet werden.
Wegovy als Lifestyle-Medikament
Die Kasse lehnte ab, da es sich bei Wegovy um ein Lifestyle-Medikament handele. Diese Präparate würden überwiegend dazu eingesetzt, die Lebensqualität zu erhöhen. Der Gesetzgeber habe eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen für solche Präparate ausgeschlossen. Der Widerspruch wurde abgewiesen, der Fall landete vor Gericht.
Doch das SG wies die Klage ab: Laut Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte zwar Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Medikamente dürfen allerdings nicht nach § 34 SGB V oder Anlage II Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) ausgeschlossen sein, weil etwa eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. „Dabei ist entscheidend für die Beurteilung nicht die konkrete Verwendung im Einzelfall, sondern die überwiegende Zweckbestimmung des Arzneimittels, die sich wiederum aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung ergibt“, heißt es im Urteil.
Ausgeschlossen sind demnach insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Dabei handele es sich nur um Regelbeispiele, die den Anwendungsbereich beispielhaft verdeutlichten. „Die gesetzliche Regelung will den Ausschluss der aufgeführten Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV umfassend sicherstellen.“
Wegovy diene der Abmagerung oder Zügelung des Appetits sowie der Regulierung des Körpergewichts und unterfalle damit den gesetzlich normierten Regelbeispielen als Arzneimittel der Gewichtsregulierung. „Dies gilt auch dann, wenn Adipositas beziehungsweise Übergewicht für sich genommen eine Krankheitsform darstellt, die in Verbindung mit gewichtsbedingten Begleiterkrankungen zu nicht nur unerheblichen Beeinträchtigungen gesundheitlicher Art führen kann. Dem Gesetz lässt sich keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass allein nicht medizinisch bedingte Behandlungsanlässe erfasst werden sollten.“
Bereich der Eigenvorsorge
Der gesetzliche Leistungsausschluss verletze weder das Recht auf körperliche Unversehrtheit noch das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit oder das verfassungsrechtliche Benachteiligungs- oder das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot. „Der Gesetzgeber hat lediglich in verhältnismäßiger Weise von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht, den Bereich der Eigenvorsorge zu umreißen. Grundsätzlich nimmt es das Verfassungsrecht hin, dass der Gesetzgeber den Leistungskatalog der GKV unter Abgrenzung der Leistungen ausgestaltet, die der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist.“
Verfassungsunmittelbare Leistungsansprüche erwüchsen Versicherten lediglich als Ausnahme in Fällen einer notstandsähnlichen Situation aufgrund einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheit, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch sei und für die eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiere. „Da die bei der Klägerin vorliegende Adipositas zum jetzigen Zeitpunkt offensichtlich nicht lebensbedrohlich ist, greifen diese Erwägungen hier nicht.“
Wegovy ist zugelassen zur Gewichtsregulierung, ergänzend zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkten körperlichen Aktivität, bei Erwachsenen mit Adipositas (Ausgangs-Body-Mass-Index (BMI) ≥ 30 kg/m²), bei Erwachsenen mit Übergewicht (BMI von ≥ 27 kg/m² bis < 30 kg/m²) und mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung sowie bei Jugendlichen ab 12 Jahren mit Adipositas (gemäß geschlechts- und altersspezifischen Wachstumstabellen) und einem Körpergewicht über 60 kg.
Semaglutid wirkt als GLP (Glucagon-like Peptide)-1-Rezeptoragonist. Durch Stimulation der Insulinsekretion und Hemmung der Glucagonsekretion senkt es glukoseabhängig den Blutzuckerspiegel. Außerdem verlangsamt Semaglutid die Magenentleerung und verstärkt hierdurch das Sättigungsgefühl. Auf zentralnervöser Ebene soll Semaglutid die Kontrolle über das Essverhalten erhöhen und Heißhungerattacken reduzieren.