Nach 695 Jahren

Tradition durchbrochen: Inhaberin übernimmt drei Apotheken 26.12.2025 08:05 Uhr

Berlin - 

Die Hof-Apotheke in Heidelberg ist ein 695-Jahre-altes Traditionshaus. „Einmal die Hof-Apotheke übernehmen, das ist der Traum von vielen, die in Heidelberg studiert haben“, erklärt die neue Inhaberin Dr. Parniyan Alamdari. „Es ist mir eine sehr große Ehre, genau diese Apotheke ab dem 1. Januar zu führen.“ Sie durchbreche damit eine fast 700-jährige Tradition. „Ich bin die erste weibliche Apothekerin, die dieses Geschäft und zwei weitere übernimmt“, freut sie sich. „Ich blicke positiv in Zukunft, mit einem sehr kompetenten Team an meiner Seite.“

Alamdari übernimmt zum 1. Januar insgesamt drei Apotheken in Heidelberg und Umgebung. „Zusammen mit der Alexander-Apotheke in Groß-Umstadt, leite ich dann vier Geschäfte“, sagt sie stolz. Hinzu kommt neben der Rathaus-Apotheke in Weisenheim am Sand und der Hof-Apotheke in Schriesheim die traditionsreiche Hof-Apotheke in Heidelberg. Sie ist die zentralste Apotheke der Stadt.

Der Weg in die Selbstständigkeit sei nicht immer einfach gewesen. Als 20-Jährige verließ Alamdari ihre Heimat. „Im Iran haben Frauen wenig Möglichkeiten, sich zu verwirklichen. Ich habe schon früh den Wunsch verspürt, mich selbstständig zu machen.“

Mehrere Universitäten boten ihr damals einen Studienplatz an. „Aber als ich Heidelberg sah, habe ich mein Herz an diese Stadt verloren“, erinnert sich Alamdari. Sie habe Glück gehabt. „Meine Eltern haben mir diese Zukunft ermöglicht, das ist nicht selbstverständlich.“ Umso stolzer sind sie heute: „Sie freuen sich mit mir und waren gerade erst in Heidelberg zu Besuch, um sich die Hof-Apotheke anzuschauen.“

Mutige Entscheidung

Die Apothekerin blickt positiv in die Zukunft. „Klar, sehe ich mit der Übernahme der drei Apotheken auch Herausforderungen auf mich zukommen. Aber ich habe ein sehr fähiges Team an meiner Seite, es herrscht eine freundschaftliche Atmosphäre“, betont die Bald-Inhaberin. „Es war eine mutige Entscheidung, vor allem im Hinblick auf die politische Situation. Aber ich werde von allen Seiten großartig unterstützt.“

Alamdari wünscht sich, dass die Regierung, insbesondere die Gesundheitsministerin, den Apothekerberuf stärker unterstützt. „Mir ist bewusst, dass sie nicht alles allein entscheiden kann und vieles bereits längst in Stein gemeißelt ist. Dennoch möchte ich betonen, dass Apotheken mehr sind als reine Verkaufsstellen.“ Und weiter: „Sie sind auch in Zukunft unverzichtbare Gesundheitszentren vor Ort.“

Wenn es jedoch so weiterginge, wie bisher – mit großzügigen Regelungen für Online-Versendern, keiner Erhöhung des Fixums, massiver Bürokratie und dem zunehmenden Einmischen von Drogerien in den Bereich apothekenpflichtiger Produkte –, dann kann von einer ortsnahen Versorgung definitiv keine Rede mehr sein, stellt Alamdari klar.

Unterstützung vom Inhaber

Der jetzige Inhaber Oliver Teichmann werde nach der Übernahme noch an ihrer Seite bleiben. „Er bleibt Teil des Teams, das hilft natürlich.“ Auch zur Jubiläumsfeier habe sie die Unterstützung von allen Seiten spüren können. „Der Vertreter des Bürgermeisters kam zu unserer Feier, viele Ärztinnen und Ärzte aus der Umgebung und sogar Dr. Hof, der Inhaber vor Teichmann“, erklärt Alamdari. In ihrer Rede betonte sie, welche Bedeutung die Übernahme für sie habe. „In einem Beruf, in dem überwiegend Frauen arbeiten, sind die Inhaberstellen dennoch meist männlich besetzt. Dass ich hier eine Tradition durchbreche, macht mich stolz.“

Fokus auf aufklärende Beratung

Es sei wichtig, immer positiv und innovativ zu bleiben, betont sie. „Ich absolviere aktuell ein Fernstudium zur Ernährungsberaterin. Ich finde, das ergänzt den Apothekerberuf hervorragend.“ Nahrungsergänzungsmittel seien aktuell ein „riesiges Thema“, weiß Alamdari. „Es gibt unzählige Produkte und enorme Preisunterschiede – gerade zwischen Apotheken und Drogeriemärkten. Hier sehe ich großes Potenzial für fundierte Beratung und Aufklärung.“

Auch im Hinblick auf Social Media sieht sie Bedarf. „Immer mehr Influencer:innen machen irgendeine Kiste auf und ziehen Supplements raus, die die Menschen dann ihrer Meinung nach einnehmen müssen. Das ist nicht richtig, da möchte ich intervenieren, das sehe ich als eine meiner Aufgaben.“

Mit ihren vier Apotheken erreicht Alamdari zudem Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen. Im Team werden unter anderem Persisch, Russisch, Französisch, Arabisch, Englisch und Koreanisch gesprochen. „Mehrsprachigkeit ist ein großes Geschenk“, sagt sie. „Die Menschen fühlen sich verstanden und gut aufgehoben, wenn sie ihre Anliegen in ihrer Muttersprache äußern können.“