Soziale Medien als Stellenbörsen

Social Recruiting: So finden Apotheken die richtigen Fachkräfte APOTHEKE ADHOC, 18.03.2022 09:00 Uhr

Facebook statt Kammerseite: SEO-Spezialist René Ramcke erklärt, wie Apotheken Fachkräfte über soziale Medien finden. Foto: Rankingdocs
Berlin - 

Viele Apotheken setzen noch auf die klassischen Stellenanzeigen, haben damit aber immer weniger Erfolg. Immer wichtiger wird es stattdessen, potenzielle neue Mitarbeiter dort abzuholen, wo sie ohnehin jeden Tag sind: in sozialen Medien. SEO- und Recruiting-Experte René Ramcke vom Dienstleister Rankingdocs erklärt, was viele Apotheken dabei falsch machen und worauf zu achten ist, um besonders erfolgreich zu sein.

Wer denkt, dass man in sozialen Medien fast nur junge Menschen findet, hat die vergangenen Jahre verpasst. „Auch ältere Arbeitnehmer sind heute täglich in sozialen Medien unterwegs. Das heißt: Egal, welche Ziel- oder Altersgruppe man sucht, man findet sie dort“, so Ramcke. Eine Unterscheidung ist heute eher nach einzelnen Kanälen zu treffen, erklärt er: Azubis und PTA finde man eher auf Instagram, Approbierte und ältere Mitarbeiter eher auf Facebook. Wobei „finden“ eher bedeutet, dafür zu sorgen, dass man selbst gefunden wird.

Denn soziale Medien werden nicht primär zur Arbeitssuche genutzt, vielmehr muss man dafür Sorge tragen, sich in die Timeline der Fachkräfte zu schmuggeln, die man sucht – und dann in möglichst kurzer Zeit einen möglichst intensiven Eindruck zu hinterlassen. Nach momentan Beschäftigten und nicht Beschäftigten lässt sich dabei kaum trennen, aber diese Unterscheidung sei ohnehin zweitrangig geworden. „Die Art und Weise, wie Arbeitgeber und -nehmer zusammenfinden, hat sich grundlegend geändert und hat sich komplett vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt gedreht. Heute werden nur noch sehr wenige Bewerbungen initiativ gesendet und Stellenausschreibungen haben stark an Bedeutung verloren“, sagt Ramcke.

„Das führt dazu, dass man als Apotheke schauen muss, wie man neue Wege findet, um an Fachkräfte zu kommen. Ich bin der Auffassung, dass man künftig nicht mehr um Social Recruiting herumkommt, weil die Bewerbungen, die über die klassischen Wege kommen, deutlich abnehmen und eine immer kleinere Rolle spielen.“

Es gebe ohnehin kaum noch PTA oder Approbierte, die ungewollt keine Stelle haben. Sowohl für den Wettbewerb um diese raren Kräfte als auch für die Suche nach passiven Bewerbern – also Mitarbeitern aus anderen Apotheken, die mit dem Gedanken spielen, zu wechseln – sei es von entscheidender Bedeutung, eigene Vakanzen und Einstellungswünsche dort zu kommunizieren, wo sie von den meisten gesehen werden. Und das seien eben nicht mehr Stellenbörsen oder Kammerseiten, sondern soziale Medien. Außerdem gingen mit dem Recruiting über Social Media einige Vorteile gegenüber diesen klassischen Kanälen einher – insbesondere für kleinere Apotheken.

Bezahlte Anzeigen werden nämlich in die Timelines der gesuchten eingespielt – und erscheinen dort zwischen Nachrichten, Urlaubsfotos, Memes und allem anderen, was man eben so auf Facebook & Co. zu sehen bekommt. „Dadurch stehe ich nicht im direkten Vergleich zu anderen Angeboten, wie es beispielsweise auf Stelleportalen der Fall ist“, so Ramcke. Dort komme hinzu, dass Stellenanzeigen stark standardisiert sind – Aufbau und Inhalt sind im Wesentlichen meist gleich. Vergleichsfaktoren sind deshalb oft die Apotheke selbst – beispielsweise Größe oder Lage. „In sozialen Medien habe ich hingegen den Vorteil, dass ich meine Anzeigen vollkommen frei gestalten und auch relativ genau targetieren kann, wen ich damit erreichen will.

Denn Social Recruiting bedeutet keineswegs, eine Stelleausschreibung einfach auf Facebook zu posten und den Post mit etwas Geld zu pushen. Im Gegenteil: Kreativität und Fingerspritzengefühl sind gefragt – und die Abweichung von manchen Vorstellungen, die man klassischerweise mit einer Stellenausschreibung verbindet. Das Wichtigste ist dabei die Währung sozialer Medien: Aufmerksamkeit. Videos schlagen deshalb Fotos. Für beides gilt: Sie müssen nicht unbedingt von einem Profi erstellt worden sein, aber hohen Qualitätsansprüchen genügen. Auflösung, Belichtung, Motive und dergleichen weiter müssen einen überdurchschnittlich guten Eindruck machen. Dabei kann es sogar helfen, sie lieber einen bewanderten Laien machen zu lassen. „Wir haben festgestellt: selbstgemacht ist nicht schlimm, wenn es authentisch wirkt. Man sollte auf keinen Fall irgendwelche Stockfotos mit Models nehmen!“

Das gilt auch und insbesondere für Bewegtbild. „Am besten funktionieren Werbeanzeigen mit Video, denn sie ziehen die größte Aufmerksamkeit, wenn man durch die Timeline scrollt.“ Das können durchaus auch Selfie-Videos mit dem Smartphone sein: Am besten mache das der Inhaber selbst und zeige sich dabei locker. Wichtig sei dabei, dass das Video nicht zu lang ist, rund 20 Sekunden seien vollkommen ausreichend. In denen solle aber möglichst nahbar erklärt werden, wer man selbst ist, wen man sucht – und vor allem, wer alles in der Apotheke arbeitet. Es sei wichtig, zwar einerseits den Inhaber zu zeigen, schließlich sei das potenziell der zukünftige Chef. Gleichzeitig sollte man aber auch die Mitarbeiter in den Vordergrund stellen. „Das sind schließlich die potenziellen Kollegen, mit denen man unter der Woche oft mehr Zeit verbringt als mit dem eigenen Ehepartner“, so Ramcke. „Wir haben schon PTA erlebt, die sich für eine Apotheke entschieden haben und sagten, es sei zwar nicht ihre Wunschbezahlung, aber das Team sei ihnen so sympathisch, dass sie dort anfangen wollen.“

Dabei müssen man darauf achten, Offenheit zu signalisieren. „Wir suchen Verstärkung und würden uns freuen, dich in unserem Team begrüßen zu dürfen“ und ähnliche Formulierungen nach der Vorstellung von Apotheke und Team bauen Distanz ab und können Sympathie wecken. Auch dabei gilt wieder: „Die Art und Weise, wie das vorgetragen wird, muss authentisch sein, wir haben oft erlebt, dass es aussieht, als würden die Texte abgelesen.“ Inhaltlich auch wertvoll: Benefits für neue Mitarbeiter von Sachleistungen bis zu Entwicklungsmöglichkeiten herauszustellen.

Großes Geld muss man für bezahlte Postings in sozialen Medien nicht in die Hand nehmen, man braucht allerdings in jedem Fall eine Unternehmensseite, einen Business Account und ein Werbekonto – das gilt für Facebook und Instagram genauso wie für Tik Tok. „Unserer Erfahrung nach deckt man mit Facebook und Instagram aber schon das Gros ab. Wenn man dort seine Anzeigen richtig schaltet, kann man schon sehr viel rausholen“, so Ramcke. Es gäbe jedoch ein paar Dinge zu beachten: Zwar kann man die Ausspielung geographisch einschränken, aber je nach dem, wo man ist, muss man mehr oder weniger Zeit einplanen. „Nach unserer Erfahrung erhält man aus Social-Media-Werbung in Großstädten mehr Bewerbungen, deshalb empfehlen wir für Städte ungefähr zwei Monate Laufzeit, auf dem Land aber mindestens drei Monate.“

Aber auch, wenn man es geschafft hat, die Aufmerksamkeit, eventuell sogar Sympathie, potenzieller Bewerber zu ergattern, ist man noch nicht am Ziel. Es gibt weitere Hürden, die möglichst niedrig gehalten werden müssen. „Es ist sehr wichtig, Barrieren und Komplexität abzubauen“, sagt Ramcke. „Von der Anzeige bis zum Arbeitgeber müssen es möglichst wenige Klicks sein.“ Außerdem würden die allermeisten Menschen soziale Medien heute auf dem Smartphone nutzen – entsprechend müssen Anzeige und die Landingpage dahinter mobiloptimiert sein. „Ich brauche eine gute Landingpage, die den Bewerber direkt abholt“, mahnt Ramcke. Das heißt nicht nur, dass Layout und Inhalt ansprechend und Kompakt sein müssen, sondern auch, dass sich eine strukturierte Abfrage mittels eines Recruiting Bots lohnt.

Das klingt komplizierter als es ist. Dahinter verbirgt sich im Wesentlichen ein Onlineformular: Auf der Landingpage stellt sich die Apotheke kurz vor und erklärt, wen sie sucht. Darunter befindet sich ein Button mit einer Aufforderung wie „mit wenigen Klicks bewerben“. Klickt man darauf, kommt man zu einem sogenannten Multistep-Formular, durch das man sich durchklicken kann und in dem die wichtigsten Fragen vorab geklärt werden: nach der aktuellen Anstellungssituation, nach der Ausbildung, nach der Berufserfahrung und dergleichen weiter. Daraufhin kann dann ein direkter Kontakt hergestellt werden. Allzu aufwendig sei es nicht, solche Multistep-Formulare einzurichten. „Als pfiffiger Apotheker kann ich das sogar selbst machen. Und wenn nicht, dann kann ich das von einem externen Dienstleister erledigen lassen.“ Ramcke empfiehlt besonders, am Ende des Formulars ein Freifeld zu lassen und danach zu fragen, was den Bewerbern besonders wichtig ist, damit sie sich im Job wohlfühlen. „Man sollte die Bewerber erst einmal reden lassen und nicht mit der Tür ins Haus fallen.“

Und nicht nur dabei solle man besonders auf den Komfort der Bewerber achten. Vielmehr könne man heutzutage auch auf vermeintliche Grundsätze von Bewerbungen verzichten: Anschreiben und Lebenslauf. „Ich persönlich würde immer auf ein Anschreiben verzichten. Jeder weiß doch, dass dafür sowieso fast immer Vorlagen verwendet werden und die Aussagekraft gering ist“, sagt Ramcke. Anschreiben würden hauptsächlich Arbeit für die Bewerber bedeuten. Das könne im Falle eines Lebenslaufs sogar noch problematischer sein. „Wir haben schon Bewerber gesehen, die seit 20 Jahren keinen Lebenslauf mehr geschrieben haben, weil sie in derselben Apotheke angestellt waren.“ Wenn die dann – sei es wegen personeller Veränderungen wie Übernahmen oder aus anderen, vielleicht auch persönlichen Gründen – mit dem Gedanken schwanger gehen, vielleicht doch nochmal die Stelle zu wechseln, könnten solche Hindernisse den Ausschlag geben. „Das kann dazu führen, dass man potenzielle Bewerber mit vielen Jahren Erfahrung verliert.“

Besser sei es deshalb, mit passenden Bewerbern direkt das Gespräch zu suchen und sich so über deren berufliche Qualifikationen zu informieren. Dieses Gespräch würde man ohnehin führen, wenn die Möglichkeit einer Einstellung besteht. Und Unterlagen wie einen Lebenslauf oder Zeugnisse kann man auch im Einstellungsprozess noch erfragen. „Man muss nicht darauf verzichten, aber man sollte es eben nicht in den Vordergrund zu stellen.“