Radiologie

Tuberkulose & Co.: Mumien sollen Antworten liefern dpa, 02.02.2017 11:22 Uhr

Radiologen und Ägyptologen untersuchen in Hildesheim Mumien, auch um mehr über verschiedene Krankheiten im Altertum zu erfahren. Foto: Wikipedia / Tomascastelazo CC BY-SA 2.5
Hildesheim - 

In Hildesheim werden Mumien erforscht. Zum einen sollen die Lebensumstände der einbalsamierten Toten ergründet werden. Zum anderen hoffen Wissenschaftler, dass die Mumien auch Erkenntnisse zur Lösung aktueller medizinischer Fragen liefern können.

Für die Radiologen am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim ist die Untersuchung von Mumien fast Routine: Insgesamt 24 einbalsamierte Tote aus unterschiedlichsten Kulturkreisen haben sie im Computertomographen bereits durchleuchtet. Nun hatten drei bisher kaum erforschte ägyptische Mumien ihren CT-Termin, eine stammt aus dem schottischen Aberdeen, die anderen beiden aus der Sammlung der Universität Göttingen.

Ursprünglich diente die Kooperation zwischen der Klinik und dem Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim nur der Vorbereitung der Ausstellung „Mumien der Welt“. Inzwischen habe sich daraus ein interdisziplinäres Forschungsprojekt entwickelt, das auch Erkenntnisse für heutige medizinische Probleme liefern könne, sagte der Ägyptologe Oliver Gauert. Beteiligt sind die Fachgebiete Ägyptologie, Alt-Amerikanistik, Anthropologie, Pathologie, Radiologie sowie Restaurierung.

Nach der CT-Untersuchung der 2400 Jahre alten Mumie aus Aberdeen zeigte sich Gauert begeistert: „Es muss ein Begräbnis der obersten Klasse gewesen sein. So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte der Wissenschaftler. Der Leichnam der jungen Ägypterin aus Luxor sei mit 50 Lagen hochwertigstem Leinen umwickelt, die Organe seien entfernt und der Körper mit einem Füllstoff ausgestopft worden. „Möglicherweise handelt es sich um mit Harz durchsetzten Nilschlamm.“

Mit Hilfe der gewonnenen Daten soll jetzt das Gesicht der pompös bestatteten Ägypterin rekonstruiert werden. Mumie und Gesichtsrekonstruktion werden ab Ende März in der Ausstellung „Pharao“ im bayerischen Rosenheim zu sehen sein. Zukünftig wollen die Hildesheimer Mumienforscher aber nicht nur die Lebensumstände der Einbalsamierten rekonstruieren, sondern auch mit der Genomkartierung und dem Nachweis von Infektionskrankheiten neue Schwerpunkte setzen.

In anderen Studien lieferten Untersuchungen an ungarischen Gruft-Mumien aus dem 18. und 19. Jahrhundert, von denen ein Großteil mit Tuberkulose infiziert war, Erkenntnisse über die Ausbreitung des Erregers. Die Mumienforschung könne Beiträge zur Lösung drängender medizinischer Probleme von heute liefern, betonte der Ägyptologe. „Sie ist Forschung für die Lebenden.“

Langfristig will sich Hildesheim als Mumienzentrum mit regelmäßigen Kongressen etablieren. Schon jetzt gebe es Anfragen von internationalen Institutionen, die Mumien in ihren Sammlungen haben, sagte Gauert. „Alle haben Interesse, etwas über ihre Mumien herauszufinden.“

Der in Hildesheim lebende Mumien-Restaurator Jens Klocke ist daran maßgeblich beteiligt. Er gilt als weltweit gefragter Experte und sorgt dafür, dass die uralten Patienten unbeschadet zu ihrem Krankenhaus-Termin kommen.