„Wir stellen das Nötigste zurück“

Notdienst: Geheimvorrat und Rezeptur Sandra Piontek, 03.03.2023 15:20 Uhr

Für den kommenden Notdienst in der Tannenberg Apotheke in Wuppertal hat Inhaberin Anna Marquardt die wichtigsten Medikamente beiseite gestellt.
Berlin - 

Weil Apotheken angesichts der Lieferengpässe oft mit leeren Händen dastehen, ist der Notdienst zum Albtraum geworden. Woher die dringend benötigten Fieber- und Schmerzmittel oder Antibiotika nehmen? Viele Kolleginnen und Kollegen sorgen im Hinblick auf die schlechte Liefersituation vor.

Die Tannenberg Apotheke von Anna Marquardt und ihrer Geschäftspartnerin Birgit König in Wuppertal muss in der kommenden Nacht den Notdienst bestreiten. Vor dem Hintergrund der nicht abreißenden Lieferengpässe keine einfache Aufgabe: Die Apothekerin hat auf die hohe Nachfrage zu Fieber- und Antibiotikasäften mit einer Art Notvorratshaltung reagiert: „Wir haben angefangen, für anstehende Notdienste einen absoluten Notvorrat anzulegen. Wir stellen dafür einige wenige Ibuprofen- oder Paracetamolsäfte zur Seite, um im Notdienst die Menschen versorgen zu können“, so Marquardt.

Medikamente, die häufig von den Bereitschaftspraxen verordnet werden, sollten im Notdienst dann auch verfügbar sein: „Ich kann nicht immer in der Praxis anrufen und abklären, was lieferbar ist oder abgegeben werden kann.“

Rezeptur oder Fertigsaft?

Kinderrezepte seien im Moment am schlimmsten bezüglich der Engpässe: „Wir stellen mitunter selbst solche Fiebersäfte her. Wenn wir eine Lieferung vom pharmazeutischen Großhandel bekommen, werden wir aber unsere Rezepturen schlechter los, zum Beispiel aufgrund der unterschiedlichen Preise.“ Es sei schwierig einzuschätzen, wie viel hergestellt werden muss und wann die nächste Lieferung kommt.

Auch die Abgabe von Hustenmitteln stellt die Inhaberinnen derzeit vor große Probleme: „Wenn der Hustensaft nicht lieferbar ist, geben wir Tropfen. Oft stimmt dann die Menge nicht mehr mit dem Rezept überein. Wir nehmen viel auf unsere Kappe – ich sehe schon die Retaxen kommen.“

Da Marquardt und König eine gute Kommunikation mit den meisten umliegenden Arztpraxen pflegen, geben sie regelmäßig Informationen zur Lieferfähigkeit weiter. „Ein Arzt hat vorgeschlagen, die Rezepte mit Lieferengpässen zu sammeln und im Nachgang zu besprechen. Wir haben somit einen gewissen Rahmen von ihm erhalten, wie und ob wir austauschen dürfen.“ Im Notdienst könne man somit sofort beliefern und Zeit sparen.

Stückelung von Antibiotika

Mit dem Antibiotikum Amoxicillin müsse derzeit auch gesondert verfahren werden. Die Stärke à 1000 mg fehle in der Wuppertaler Gegend komplett: „Wir müssen improvisieren mit 750 mg und stückeln für die Patienten die Packungen, damit wir sie überhaupt versorgen können“, so die Inhaberin. Zu Beginn der massiven Lieferengpässe sei die große Apotheke noch relativ gut versorgt gewesen, aber mittlerweile sehe es vor Ort genauso schlecht aus wie überall.

Manche sind gut versorgt

In Nordrhein-Westfalen scheint die Situation aber in einigen Apotheken auch anders auszusehen, wie ein Apotheker berichtet: „Wir versuchen, über alle möglichen Kanäle Medikamente zu bestellen, und nehmen, was wir bekommen können“, so der Inhaber einer Apotheke in der Nähe von Mönchengladbach. Dabei spiele die Bestellung direkt beim Hersteller eine große Rolle: „Wir wurden erst kürzlich von einem Hersteller angerufen und gefragt, ob wir Arzneimittel mit Amoxicillin oder Cefaclor brauchen. Natürlich haben wir entsprechende Mengen bestellt. So konnten wir beispielsweise im vergangenen Notdienst größtenteils die Rezepte beliefern.“

Der Inhaber stellt zudem täglich auch beim Großhändler die Nachfrage zu Medikamenten, die von Engpässen betroffen sind: „Wir kämpfen dafür, dass wir die Versorgung aufrechterhalten können.“