Nasser Sommer: Keine Entlastung für Allergiker 04.08.2025 07:48 Uhr
Die verhältnismäßig vielen Regenfälle derzeit bedeuten nicht unbedingt immer eine Erholung für Allergiker. Dass bei Regen stets weniger Pollen in der Luft sind, sei ein Irrtum, sagte der Direktor des Instituts für Allergieforschung an der Berliner Charité, Professor Dr. Torsten Zuberbier.
„Es werden zwar Pollen nach unten gewaschen beim Regen, aber gerade, wenn der Regen anfängt, platzen die Pollen.“ Dabei werden Allergene freigesetzt – kleine Eiweißmoleküle der Pollenkörner, die in die tieferen Abschnitte der Lunge gelangen können, wie Zuberbier erklärt. Ein Grund für das Platzen ist, dass die Pollen bei einsetzender Feuchtigkeit aufquellen.
Für die Pflanzen laufe es derzeit prima. Durch die Wärme und den Regen sprießen die Gräser laut Zuberbier, was zu einer hohen Pollenbelastung führe. Wie stark diese ist, hänge jeweils vom einzelnen Tag ab. Insbesondere bei einsetzendem Gewitter werde durch den Wind hochgewirbelt, was auf dem Boden sei. In dieser Saison hätten Pollenallergiker durch die genannten Faktoren wechselnd mal besonders viele und mal besonders wenige Probleme.
Pollenallergien könne man vorbeugend behandeln, dafür gebe es moderne Antihistaminika, die nicht müde machen. Diese sollte man konsequent die ganze Saison über durchgängig nehmen, sagte Zuberbier. Bei verstopfter Nase am Morgen empfiehlt er kortisonhaltige Nasensprays. Hintergrund ist, dass das Herz unnötig mehr belastet werde, wenn die Nasenatmung nachts blockiert ist. Eine Spätfolge könnten Herzkreislauferkrankungen sein. Als ursächliche Therapie empfiehlt er die sogenannte Hyposensibilisierung. Dabei werde das Immunsystem so trainiert, dass man sich an ein einzelnes Allergen gewöhne.
Zu schaffen machen Allergikern gerade die Gräser: Beifuß ist gerade in der Hochblüte; Ambrosia ist bereits vereinzelt in der Luft. Da die Saison hier aber erst noch richtig losgeht und durch den Wind aus anderen Regionen Europas keine Pollen ins Land getragen wurden, sei die Belastung auch hier insgesamt eher niedrig. Die Pollenstiftung rechnet in den kommenden Tagen aber mit mehr Beifußpollen. Ebenfalls könne auch die Belastung durch Hopfenpollen zunehmen.
Neues automatisches Pollenmonitoring-Messnetz
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) misst den Pollenflug künftig häufiger und kann tagesaktuelle Auswertungen bieten. Dafür sind in Hamburg, im baden-württembergischen Freiburg und im hessischen Offenbach nun die ersten von insgesamt 16 Pollenmonitoren in Betrieb genommen worden. „Nach einer mehrwöchigen Prüfphase werden die Daten dann operationell genutzt“, sagte Stefan Gilge, der für Lufthygiene zuständige Referatsleiter am DWD-Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung (ZMMF) in Hamburg.
Daten nach wenigen Stunden abrufbar
Die neuen Geräte messen in der Hauptflugzeit der Pollen viermal täglich die Luft und werten die Daten direkt aus. Dank Künstlicher Intelligenz (KI) ist das schneller als bisher machbar.
„Unser neues automatisches Pollenmonitoring-Messnetz ermöglicht die Erfassung der aktuellen Pollenflugkonzentration innerhalb von ein bis sechs Stunden“, sagte Dr. Christina Koppe, Abteilungsleiterin der Klima- und Umweltberatung des DWD. Aktuell werden die Daten noch vom Polleninformationsdienst händisch ausgewertet und die Daten liegen deshalb erst nach zwei bis drei Tagen vor.
Der DWD setzt Koppe zufolge damit eines der weltweit modernsten Systeme ein, das vor allem für Allergiker große Erleichterungen bringen könne. Erfasst werden die Hauptpollenarten von Hasel, Erle, Esche, Birke, Gräser, Roggen, Beifuß und Ambrosia sowie weitere 26 Pollenarten.
Allergiker können künftig tagesaktuell online nachschauen, welche Pollen derzeit besonders intensiv fliegen, und damit beispielsweise ihre Medikamente passgenauer nehmen und ihre Aktivitäten im Freien besser planen.
Deutschlandweit 16 Stationen bis Ende 2026
Bis Ende 2026 sollen deutschlandweit 16 dieser Messkästen auf Dächern aufgestellt sein. Zwei Millionen Euro kostet das insgesamt. Das System wurde zuvor in Freiburg am DWD-Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung getestet.
Konkret funktioniert dieses so: Die automatisch angesaugte Luft wird konzentriert, auf eine mit wässriger Vaseline beschichteten, kleinen Probenplatte aufgetragen und dann durch digitale Mikroskopie automatisch ausgewertet.
Von einer Probe werden rund 60.000 Fotos gemacht und darin erkennt die KI die verschiedenen Pollen und kann deren Konzentration berechnen. Die Daten werden in der Folge automatisch nach Freiburg übermittelt. Von Hand müssen dann nur noch zweimal im Jahr die Magazine gewechselt und einmal im Jahr die Geräte gewartet werden.