Gesundheitsgefahren

Schadstoffe im Kinderzimmer dpa, 01.08.2016 14:52 Uhr

Vorsicht vor Schadstoffen: Eltern müssen beim Möbelkauf auf einiges achten, wenn sie auf bedenkliche Stoffe verzichten wollen. Foto: Elke Hinkelbein
München - 

Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Und vor allem wollen sie, dass der Nachwuchs gesund und sicher ist. Selbst im eigenen Haus gibt es die eine oder andere Gefahrenquelle: Die Möbel im Kinderzimmer. Sind die Sorgen berechtigt? Was ist gut?

Kleine Kinder verbringen 90 Prozent des Tages in Innenräumen, einen großen Teil davon in ihrem Zimmer. Deshalb ist es besonders wichtig, dass sie dort weder schädlichen Stoffen noch vermeidbaren Gefahren ausgesetzt sind. Mit den richtigen Materialien für Möbel, Böden und Wände können Eltern beidem vorbeugen und dafür sorgen, dass alles möglichst lange dem Spielen und Toben standhält.

„Schadstoffe sind für kleine Kinder besonders problematisch, weil sie viel mehr davon aufnehmen als Erwachsene“, sagt Johanna Hausmann, Projektmanagerin beim Umweltnetzwerk Women in Europe for a Common Future. Denn kleine Kinder atmen schneller, ihre Haut ist dünner und durchlässiger. Und sie nehmen vieles in den Mund. Doch wie findet man heraus, ob ein Möbelstück, eine Wandfarbe oder ein Bodenbelag schadstoffarm ist? Man kann sich an groben Richtwerten zu den verwendeten Materialien orientieren.

Bei Möbeln ist eine grundlegende Entscheidung: Massivholz oder Pressspan? Bei Pressspan sei die Gefahr, dass Formaldehyd enthalten ist, größer als bei Vollholz ohne Klebemittel, sagt Chemikalienexpertin Hausmann. Vollholz könne aber mit Bioziden belastet sein, auch auf den Lack müsse man schauen. Eine gute Wahl seien Second-Hand-Möbel, da bei ihnen eventuelle Belastungen schon verflogen sind.

Wandfarben sollten möglichst wenig Lösungsmittel enthalten. Ganz ohne kommen viele mineralische Silikatfarben auf Mineralbasis aus. Susanne Woelk von der Aktion Das Sichere Haus in Hamburg empfiehlt als Alternative ungestrichene Papiertapeten.

Beim Boden gibt es ein absolutes No-Go: PVC enthält viele Weichmacher wie Phthalate, warnt Hausmann. Bestimmte Phthalate stehen im Verdacht, die Fortpflanzung zu gefährden. Linoleum dagegen sei weitgehend unbedenklich, da es aus natürlichen Materialien wie Leinöl, Kork und Jute besteht, sagt Woelk. „Allerdings riecht es am Anfang stark.“ Hausmanns Favoriten sind Holzdielen oder Teppichböden aus zertifizierter Wolle.

Auch viele Sicherheitsrisiken und Abnutzungserscheinungen können Eltern minimieren, wenn sie die richtigen Materialien wählen. Beim Bodenbelag gibt es hierzu nicht die eine ideale Lösung, in puncto Sicherheit und Belastbarkeit hat alles seine Vor- und Nachteile: Jörg Schriever, Kinderarzt und Unfallexperte beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, plädiert für einen weichen, federnden Boden. Kork etwa sei geeignet, aber auch Teppichboden. Bei Teppichen sollte man darauf achten, dass hohe Kanten Stolperfallen sind. In puncto Brandgefahr sei Polyester besser als schnell brennende Baumwolle, ergänzt Sicherheitsexpertin Woelk.

Teppiche als Staubfänger sehen beide nicht als Problem an. Ein Kinderzimmer sollte nicht zu steril sein, damit die Abwehrkräfte gestärkt werden. Anders ist das allerdings bei Kindern mit Hausstauballergie: Für sie seien die leicht zu pflegenden Materialien Parkett und Laminat ideal, sagt Woelk. Und unlackiertes Holz verzeiht zudem auch beim Boden so manche Schramme.

Ein großer Vorteil von Möbeln aus naturbelassenem Massivholz ist, dass man sie unkompliziert abschleifen kann. Nicht nur hässliche Macken und gefährliche Splitter verschwinden so unkomplizierter als bei Spanplatten. Auch könne man die Ecken und Kanten von Holzmöbeln so abschleifen, dass sich die Kinder nicht an ihnen verletzen, sagt Kinderarzt Schriever. Bei Pressspan-Möbeln sind stabil haftende Kantenschutz-Aufkleber eine Alternative.

Wer noch mehr Sicherheit darüber will, dass er seinem Kind gute Qualität ins Schlaf- und Spielzimmer holt, kann sich an einer ganzen Reihe von Labels orientieren, die von unabhängigen Stellen vergeben werden. Der Blaue Engel zeichnet Produkte aus, die wenig Schadstoffe ausdünsten. Ähnliche Standards hat das Eco-Institut für sein Siegel.

Speziell für Textilien gibt es den Oeko-Tex-Standard oder das GOTS-Label, für Bodenbeläge das Label GUT. Weitere Öko-Zeichen sind die Euroblume und das Label der Vereinigung natureplus, die etwa auch die Nachhaltigkeit der Produktion überprüfen. Übersichten über vertrauenswürdige Labels gibt Die Verbraucher Initiative auf ihrem Portal label-online.de sowie auf nestbau.info das Netzwerk WECF.

Auch für Möbel gibt es Labels und Zeichen. Unfallexperte Schriever empfiehlt, darauf zu achten. So zeichnet zum Beispiel das Goldene M die Gesamtqualität von Möbeln aus, von Sicherheit über Schadstoffemissionen bis zur Langlebigkeit. Ein weit verbreitetes Sicherheits-Siegel ist das GS-Zeichen, das für „Geprüfte Sicherheit“ steht. Die zugrundeliegenden Kriterien sind laut Jochen Winning von der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel bei Kindermöbeln besonders umfänglich – etwa die Frage, ob die Abstände zwischen Gitterstäben im Kinderbett klein genug sind, die Kanten eines Möbels nicht zu scharf oder ob ein Hochbett absturzsicher ist.

Daneben raten alle Experten zu einfachen Handgriffen: Regelmäßig lüften, mindestens dreimal am Tag, erklärt Hausmann. Das lässt nicht nur ausgedünstete Schadstoffe verfliegen, sondern hilft auch gegen Staub und Feuchtigkeit. Oder, so der Alternativvorschlag von Woelk: „Einfach einmal mehr mit dem Kind auf den Spielplatz gehen.“