Bis zu 20.000 Euro

Hyposensibilisierung: Ärzte werden in Regress genommen APOTHEKE ADHOC, 18.02.2022 12:18 Uhr

Die Krankenkasse Viactris nimmt aktuell HNO-Ärztinnen in Regress, die sogenannte TAV-Hyposensibilisierungs-Präparate verschreiben. Foto: Tong_stocker/shutterstock.com
Berlin - 

Das Thema Hyposensibilisierung ist auch in Apotheken nicht immer ganz einfach – erst recht nicht, wenn Präparate verordnet sind, die sich aktuell noch in der Zulassung befinden. Apotheker:innen und PTA, die sich mit dem Thema beschäftigen, stellen schnell fest, dass diese Präparate aufgrund fester Rahmenbedingungen dennoch abgegeben werden können. Aufgrund der Therapieallergene-Verordnung (TAV) ist eine Abgabe zu Lasten der GKV möglich. Die Krankenkasse Viactiv nimmt von dieser Verordnung Abstand und nimmt aktuell zahlreiche HNO-Ärzt:innen in Regress.

Der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte weist auf zahlreiche Rückforderungen hin, die in den vergangenen Wochen durch die Prüfungsstellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und regionalen Krankenkassen verschickt worden sind. Es handele sich ausschließlich um Beanstandungen zu sogenannten TAV-Präparaten.

Hierbei handelt es sich um Hyposensibilisierungspräparate, die im Rahmen der TAV bereits vor der regulären Marktzulassung zu Lasten der GKV verschrieben werden können. „Den uns vorliegenden Rückmeldungen unserer Mitglieder nach handelt es sich durchweg um Präparate im Zulassungsprozess nach Therapieallergene-Verordnung“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Präsident des Berufsverbandes der HNO-Ärzte. Für TAV-Präparate gelten seit 2008 lange Übergangsfristen, was den Nachweis der Wirksamkeit angeht. Heinrich: „Das Vorgehen der Viactiv zeugt von Unwissenheit über die aktuelle Rechtslage bei der Verordnung von Therapie-Allergenen und ist eine Unverschämtheit gegenüber den betroffenen Patienten und Ärzten“, merkt Heinrich an.

TAV-Präparate: Hierunter versteht man Präparate, die im Rahmen der Hyposensibilisierung bereits vor der Marktzulassung verschrieben werden können. Sie sind verkehrsfähig und zu Lasten der GKV verordnungsfähig. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat eine Liste aller sich aktuell im Zulassungsprozess befindlichen Präparate veröffentlicht. Die Liste gibt keinen Aufschluss über die tatsächliche Verfügbarkeit.

Weiterhin erläutert Heinrich: „Alle TAV-Präparate werden vom Paul-Ehrlich-Institut und damit einer Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums bei der Chargenfreigabe auf ihre Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität geprüft. Die Präparate sind damit absolut unbedenklich am Patienten einzusetzen und haben zudem bereits ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt.“

Aktuell befinden sich auf dieser Liste elf verkehrsfähige Präparate:

  • Allergopharma:
    • Acaroid 708 Dermatophagoides farinae 100 % Stärken A und B/ Stärke B (1x 3ml Stärke B) Stärke B (2x 3ml Stärke B)
    • Acaroid 725 Dermatophagoides pteronyssinus 100 % Stärken A und B/ Stärke B (1x 3ml Stärke B) Stärke B (2x 3ml Stärke B)
    • Acaroid 708 Dermatophagoides farinae 50 % / 725 Dermatophagoides pteronyssinus 50 % Stärken A und B/ Stärke B (1x 3ml Stärke B)/ Stärke B (2x 3ml Stärke B)
  • Bencard Allergie:
    • Pollinex Quattro Gräser/Roggen50%+Beifuß50%(300SU/ml/800 SU/ml /2000 SU/ml)
    • Pollinex Quattro Birke 100% (300 SU/ml /800 SU/ml /2000 SU/ml)
    • Pollinex QuattroGräser/Roggen50%+Birke/Erle/Hasel50% (300SU/ml /800 SU/ml /2000 SU/ml)
    • Pollinex Quattro Plus/Starter/Booster 1,0 ml Birke/Erle/Hasel 100%
    • Pollinex QuattroGräser/Roggen100% (300SU/ml/800SU/ml/2000 SU/ml)
    • Pollinex QuattroGräser/Roggen50%+Birke50% (300SU/ml/800SU/ml /2000 SU/ml)
  • Hal Allergie:
    • Purethal Milbenmischung (20.000 AU eq/ml)
    • Sublivac FIXMilbenmischung (10.000 AU/ml)

Frust und Therapiegefahr

Der Bundesverband rät seinen Mitgliedern zum Einspruch und stellt juristische Hilfe zur Verfügung. Der Frust ist groß. Auch die Therapie sieht der Verband in Gefahr: „Jeder Kollege, der jetzt von der Viactiv in ein Regressverfahren reingezogen worden ist, wird sich in Zukunft zweimal fragen, ob er noch Allergiepatienten behandeln soll oder nicht. Vielleicht ist das ja die eigentliche, zynische Absicht der Krankenkassen?“ Die Forderungen belaufen sich auf rund 20.000 Euro pro Fall.