Jobwechsel

Musikvideos statt Versandapotheke Alexander Müller, 25.07.2015 09:47 Uhr

Berlin - 

Mit 59 Jahren will Philipp Heift noch einmal etwas ganz anderes machen: Der Versandapotheker verkauft seine Deutsche Internet Apotheke und steigt in das Musikgeschäft ein. Zusammen mit dem Musiker und Musikproduzenten Martin Ernst hat er das Unternehmen Muxx.tv gegründet. Musik statt Arzneimittel – nur dem Internet bleibt Heift treu.

Die Idee ist so einfach wie revolutionär: Musikkonzerte sollen live im Internet übertragen werden. Der Streaming-Dienst richtet sich in der Startphase vor allem an Kleinkunstbühnen oder sonstige Veranstalter. Verhandelt wird aber bereits mit den ganz großen der Branche wie Helene Fischer. „Vielleicht ist die Tour ausverkauft, das Konzert zu weit entfernt oder kein Geld für eine Karte da – es gibt viele Gründe, warum ein Fan nicht selbst an einem Konzert teilnehmen kann“, sagt Ernst.

Und es gibt – so die Geschäftsidee – viele Menschen, die sich das auf gerne live im Internet anschauen würden – und dafür auch bezahlen: Pay-per-View für Live-Konzerte. Im Sportbereich sind solche Vermarktungskonzepte längst etabliert. „Die Erfolge von Videoportalen zeigen, dass der Bedarf da ist. Jeder will heute nach Lust und Laune überall Filme ansehen“, sagt Heift. Künstler wie Justin Bieber seien auch über Youtube bekannt geworden.

Newcomern im wahrsten Sinn des Wortes eine Bühne zu geben, gehört auch zum Konzept von Muxx. Die Plattenfirma eines noch unbekannten Künstlers könnte etwa eine Szenebar in Berlin anmieten und dort ein kleines Konzert für geladene Gäste organisieren. Über den Streaming-Dienst von Muxx soll der Auftritt ein breiteres Publikum finden. Für die Produzenten sei das die günstigste und effektivste Form der Werbung, ist man bei Muxx überzeugt.

Die Plattform soll nicht nur Musikern als Werbefläche dienen. Bars und Diskotheken könnten ihre Partys live ins Netz stellen. Mit einigen Kölner Clubs hat Muxx schon solche Verträge geschlossen. Ernst hat hierzu noch viele Ideen: „Auf einem gekennzeichneten Quadratmeter könnten sich die Gäste beim Tanzen filmen lassen. Die User stimmen online ab und der Sieger des Wettbewerbs bekommt eine Flasche Champagner.“

Auch bei Sportveranstaltungen sieht der Produzent Potenzial – auch und gerade im Amateurbereich: Bei einem internationalen Jugendfußballturnier etwa will er den Verwandten rund um die Welt ohne großen Aufwand und gegen geringes Entgelt ermöglichen, das Spiel live mit anzusehen.

Entstanden ist die Idee für Muxx aus den „Wohnzimmerkonzerten“, die Ernst und Heift seit Jahren regelmäßig veranstalten. Rund 150 Freunde und Bekannte bekommen ein sehr exklusives Konzert geboten – tatsächlich in Ernsts Wohnzimmer. Über seine Branchenkontakte konnte der Musiker schon Stars wie Heino, Höhner oder Cascada gewinnen – zum Teil Künstler, die er selbst seit Jahren produziert.

Die Akzeptanz war riesengroß, die Plätze im Wohnzimmer naturgemäß begrenzt. Deshalb kam den Freunden die Idee, das Ganze im Intenet zu veröffentlichen. Das ist bei Musikvideos zwar technisch ein Kinderspiel, rechtlich aber nicht ohne weiteres möglich. Bei der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen musste eine Sendeerlaubnis eingeholt werden. Mittlerweile verhandelt Muxx mit den Fernsehsendern WDR und NDR über Übertragungsrechte.

Ernst und Heift haben weitere Gesellschafter an Bord genommen. Trotzdem sucht das Start-up noch Investoren, die bereit sind, siebenstellige Beträge in die Hand zu nehmen. Denn um ins ganz große Business einzusteigen, benötigen die beiden Unternehmer Kapitalgeber.

Hier gibt es ein Henne-Ei-Problem zu lösen. Eine große Anzahl von Nutzern wird nur von großen Namen angezogen, um Stars zu finanzieren, erwarten die Geldgeber aber einen gewissen Traffic auf der Seite. Daher soll den Nutzern in Sachen Pay-per-View zunächst nicht zu viel zugemutet werden, sagt Heift. Auf der Plattform gibt es außerdem schon rund 160.000 Videos im Archiv. Die seien wichtig, um Traffic auf der Seite zu erzeugen.

Der Schwerpunkt soll aber künftig auf jeden Fall auf kostenpflichtigen Live-Übertragungen liegen. Bei Konzerten soll – wiederum vergleichbar mit großen Sportevents – rund um den Auftritt Material geboten werden: „Von den Proben am Nachmittag, bis zu exklusiven Backstage-Interviews ist da vieles denkbar“, sagt Ernst. Er verhandele gerade mit Helene Fischer.