Weltkrebstag

„Hartnäckig bleiben und nicht in eine Schublade stecken lassen“ Cynthia Möthrath, 04.02.2020 11:24 Uhr

Berlin - 

Kerstin Peters* ist 30 Jahre alt, als sie die Diagnose Lungenkrebs bekommt – für die junge Mutter bricht eine Welt zusammen. Nach zahlreichen Arztbesuchen findet sie schließlich einen Onkologen, der über den Tellerrand hinausschaut und eine spezielle Therapieform für sie findet. Nach fünf Tagen ist Peters beschwerdefrei, heute lebt sie ein (fast) normales Leben.

Es ist März 2017: Peters ist im Nachtdienst tätig, als sie starke Schmerzen im linken Brustkorb bemerkt. „Ich habe das zuerst runtergespielt“, erklärt sie. Doch ihr Freund, der bereits an einer Lungenembolie erkrankt war, macht sich starke Sorgen und zerrt Peters ins Krankenhaus. In der Notaufnahme wird Blut abgenommen: Ein Marker ist auffällig erhöht, es folgen weitere Untersuchungen. „Zuerst hieß es, es sei nur etwas vergrößert und man müsse es abklären“, sagt Peters. Zur Beobachtung muss sie im Krankenhaus bleiben.

Wenige Stunden später steht ein Onkologe vor Peters: „Er hat mir dann mitgeteilt, dass ich einen zwei Zentimeter großen Tumor in der Lunge habe“, erklärt sie. Für die junge Mutter eine niederschmetternde Diagnose. „Ich habe natürlich sofort gegoogelt und fand für Lungenkrebs eine maximale Lebenserwartung von fünf Jahren.“ Doch die Diagnose wird noch schlimmer – denn schnell wird klar, dass sich im Körper bereits zahlreiche Metastasen gebildet haben: Becken, Wirbelsäule und Hüftgelenk sind ebenfalls betroffen.

„Ich hatte bis zu dieser Nacht nie Beschwerden“, erklärt Peters. Sie habe sich lediglich müde gefühlt, was als Mutter zweier Kinder schließlich nicht ungewöhnlich sei. Peters habe immer viel Sport getrieben und sich gesund ernährt, körperliche Einschränkungen habe sie zuvor nie bemerkt. „Es war für alle ein Rätsel.“ Die Schmerzen in jener Nacht entstanden schließlich durch eine Entzündung des Rippenfells, nach der Gabe von Schmerzmitteln war Peters zunächst wieder nahezu beschwerdefrei. „Und dennoch bekommt man eine solche Diagnose“, sagt sie.

Nachdem sich Peters auch verschiedene Zweitmeinungen eingeholt hat, folgt das Standard-Programm: Operation, Chemotherapie und Immuntherapie. „Die Ärzte haben immer gesagt, dass es keine anderen Möglichkeiten gibt“, erklärt Peters. „Ich habe mich irgendwann damit abgefunden.“ Doch im August bricht sie die Behandlung auf eigenen Wunsch ab. „Mein Körper war ein Wrack“, erklärt sie. „Ich wollte einfach mal wieder Kräfte sammeln.“

Als ihre Onkologin in den Ruhestand geht, wird sie von einem neuen Arzt betreut – für sie ist dieser Umstand vermutlich lebensrettend. Denn der neue Onkologe will sich mit der bisherigen Behandlung nicht zufriedengeben – für eine 30-jährige Frau, die nie geraucht hat, ist eine solche Diagnose ungewöhnlich. „Meine Kinder waren damals fünf und drei, da gibt man nicht einfach so auf“, erklärt Peters. Der neue Onkologe schaut sich Peters Fall an und beschäftigt sich mit der Präzisionsonkologie: „Ich hatte das erste Mal das Gefühl, dass jemand genauer hinschaut und sich mit mir beschäftigt“, erklärt sie.

In dieser Zeit hat sich der Zustand von Peters drastisch verschlechtert: „Ich hatte starke Atemnot, habe Blut gehustet und hatte Wasser in der Lunge“, erklärt sie. Auch Fieberschübe und extreme Kraftlosigkeit machten ihr zu schaffen. „Wenn der Körper langsam zu Grunde geht und man nichts tun kann ist das schrecklich“, erklärt sie. „Das war eine wirklich harte Zeit.“ Peters wurde ein Teil des Lungentumors entfernt. Mithilfe eines Tumorgenomtests wurde schließlich der krebsauslösende Treiber festgestellt: Eine genetische Veränderung die stark krebsauslösend ist und Signalwege fördert, die das Wachstum von Tumoren anregen.

Für genau diese Veränderung fand ihr Onkologe einen geeigneten präzisionsonkologischen Wirkstoff. „Als er mir sagte, dass es etwas gibt, das mir hilft, war das unglaublich“, schwärmt Peters. „Für mich war das wie ein Lottogewinn – ein unglaubliches Glücksgefühl.“ Dank der neuen Therapieoption schöpft die junge Mutter neue Hoffnung. Im Mai vergangenen Jahres beginnt sie schließlich mit der Therapie. „Das war unglaublich“, erklärt sie: Sonntags habe sie mit der Therapie gestartet und schon wenige Tage später sei sie nahezu symptomfrei gewesen. „Freitags bin ich mit meinen Kindern eine Runde mit dem Fahrrad gefahren“, schwärmt sie.

Mittlerweile führt die Mutter ein fast ganz normales Leben. Die Medikamente nimmt sie weiterhin, das CT kurz vor Weihnachten war unauffällig – keine Spur eines Tumors. „Trotzdem ist mir vor einer solchen Untersuchung immer ein wenig mulmig“, gibt sie zu. Peters ist jedoch zuversichtlich, was die Zukunft angeht.

Dennoch hat die Erkrankung Spuren hinterlassen: „Ich genieße jeden Tag und versuche im Hier und Jetzt zu leben“, erklärt Peters. Dinge, die normalerweise selbstverständlich gewesen seien, würden einem bewusster werden. Anderen Patienten möchte sie Mut machen: „Ich kann nur jedem raten hartnäckig zu bleiben und sich nicht in eine Schublade stecken zu lassen“, erklärt Peters. Denn schließlich sei jeder Mensch und jede Erkrankung anders.

* Name von der Redaktion geändert.