Tränenreiches Geständnis

Gefälschte Impfzertifikate: PTA gesteht vor Gericht Patrick Hollstein, 20.09.2022 11:46 Uhr

Weil sie gefälschte Impfzertifikate ausgestellt hat, steht eine PTA in München vor Gericht. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Ende Oktober vergangenen Jahres wurde die Kaiser Apotheke in München durchsucht. Eine PTA soll an der Fälschung digitaler Impfnachweise im großen Stil beteiligt gewesen sein. Jetzt steht sie vor Gericht.

Wie die Münchener Tageszeitung tz berichtet, hat die 53-jährige PTA im Prozess vor dem Landgericht München gestanden. „Ich bereue meine Taten sehr und schäme mich“, soll sie demnach unter Tränen abgelesen haben. „Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe.“ Sie bestritt laut Bericht jedoch, an den Verkaufserlösen beteiligt gewesen zu sein. Bis Mitte Oktober sind weitere vier Verhandlungstage angesetzt, am 13. Oktober soll das Urteil fallen.

Der PTA wird vorgeworfen, ohne Wissen des Inhabers in großem Stil Impfzertifikate gefälscht zu haben. Insgesamt 1074 Vorgänge umfasst die Anklage; die Ermittler gehen einem Gewinn von mehr als 130.000 Euro aus. Schon in den Vernehmungen soll sich die PTA überwiegend geständig gezeigt haben.

QR-Codes im Netz verkauft

Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption (ZKG) bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg geht davon aus, dass die beiden Angeklagten einen gewerbsmäßigen Verkauf von Impfzertifikaten betrieben haben. Sie sollen ab Mitte August 2021 auf einem deutschsprachigen Cybercrimeforum – unter einem Pseudonym – unberechtigt erstellte QR-Codes für den digitalen Corona-Impfausweis zum Preis von mindestens 150 Euro verkauft haben, ohne dass eine Impfung tatsächlich erfolgt und nachgewiesen war.

Für die Erstellung der QR-Codes soll ohne Kenntnis des Inhabers die IT-Infrastruktur der Apotheke durch unberechtigten Zugriff genutzt worden sein. Den beiden Komplizen werden daher auch die gewerbsmäßige Fälschung technischer Aufzeichnungen sowie Geldwäsche zur Last zur Last gelegt. Der Betrieb wurde bereits länger beobachtet, bevor die Ermittler im vergangenen Herbst zuschlugen.

Zu Beginn sollen die Daten der jeweiligen Käufer nach Übermittlung durch ihren Mittäter von der PTA selbst in den Rechner der Apotheke eingegeben worden sein. Nach einiger Zeit sollen die Angeschuldigten eine Fernzugriffsoftware auf dem Rechner installiert haben, sodass der Zugriff auf den Rechner und damit die Eingabe der Daten von außerhalb möglich war. Der Zugriff soll über einen bulgarischen Server erfolgt sein.

Nächtlicher Zugriff

Der Fernzugriff auf den Apothekenrechner soll jedoch über den Monitor mit verfolgbar gewesen sein. Deswegen sollen die Angeschuldigten den Apothekenrechner zuletzt über eine entsprechende Einstellung zur Nachtzeit automatisch gestartet und die Daten dann mit Fernzugriff nachts eingegeben haben – also zu einer Zeit, zu der in der Apotheke niemand anwesend war. So sollen sie laut ZKG das Entdeckungsrisiko minimiert haben.

Die Bezahlung durch die Kunden soll über Bitcoin oder Monero erfolgt sein. Die Zertifikate sollen auch in größeren Chargen an weitere Personen – sogenannte „Reseller“ – verkauft worden sein, die die Zertifikate an die Endabnehmer weiterverkauft haben sollen. Das Ziel soll gewesen sein, den Auslandsabsatz zu fördern und die Gefahr der Entdeckung zu verringern.

Ein Teil der Abnehmer konnte den Ermittlern zufolge aufgrund umfangreicher polizeilicher Ermittlungen identifiziert werden. Gegen sie wurden beziehungsweise werden Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz und Geldwäsche eingeleitet.

Hoher Lebensstandard

Motiv für die Taten soll gewesen sein, dass der „hohe Lebensstandard der Angeschuldigten mit ihren legalen Einkünften dauerhaft nicht finanzierbar“ war. Die Anklageschrift enthält darüber hinaus Punkte, die mit der Fälschung von Zertifikaten nichts zu tun haben, beispielsweise den Vorwurf eines gemeinsam begangenen versuchten Betrugs beim Leasing eines Porsche.

Nach Bekanntwerden des Falls wurden vorsichtshalber alle bislang ausgestellten QR-Codes in der Corona-Warn-App für ungültig erklärt. Die Kund:innen kamen mit der Sperrung auf dem Smartphone in die Schwabinger Apotheke. Der Inhaber bat die Kolleg:innen um Mithilfe, die Nachweise erneut auszustellen.