Studie

Bluthochdruck: Indikator für Armut dpa, 16.11.2016 16:22 Uhr

Indikator für Armut: Immer mehr Menschen leiden an Bluthochdruck, allerdings eher in ärmeren als in reicheren Regionen. Foto: Andreas Domma
London - 

Die Zahl der Menschen mit Bluthochdruck hat sich in den vergangenen 40 Jahren weltweit fast verdoppelt. Im Jahr 2015 hatten mehr als 1,1 Milliarde Menschen zu hohen Blutdruck, berichtet ein Team internationaler Wissenschaftler im Fachmagazin „Lancet“. Der Anstieg sei durch das Bevölkerungswachstum sowie den wachsenden Anteil älterer Menschen zu erklären.

Auffällig seien regionale Verschiebungen: Die durchschnittlichen Blutdruckwerte seien in den Industrienationen der westlichen Welt und dem Asien-Pazifik-Raum in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gesunken – etwa in Deutschland, Australien, Schweden und Japan. In ärmeren Ländern seien sie hingegen erheblich gestiegen, etwa in vielen Ländern Südasiens und Afrikas südlich der Sahara.

Auch der Anteil von Bluthochdruck-Patienten in der Bevölkerung sei in den reichen Ländern am stärksten gesunken. Die Wissenschaftler um Majid Ezzati vom Imperial College London hatten 1479 Studien aus den Jahren zwischen 1975 und 2015 ausgewertet, in denen Angaben zum Bluthochdruck zu finden waren. Die Studie zeigte auch, dass Männer in den meisten Ländern der Welt im Jahr 2015 höheren Blutdruck haben als Frauen.

„Bluthochdruck ist nicht länger eine Wohlstandskrankheit – wie noch 1975 – sondern ist heute ein ernsthaftes Problem im Zusammenhang mit Armut“, erläutert Ezzati. Warum der Blutdruck vor allem in ärmeren Ländern gestiegen ist, wissen die Forscher nicht sicher. Sie nehmen an, dass eine insgesamt bessere Gesundheit und eine bessere Ernährung mit mehr Obst und Gemüse in den reicheren Ländern den Trend zumindest miterklärt. Außerdem werde hoher Blutdruck dort häufiger erkannt und medikamentös behandelt.

Eine mangelhafte Ernährung in der Kindheit könne in ärmeren Ländern eine wichtige Rolle spielen: „Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass eine schlechte Ernährung in den ersten Lebensjahren das Risiko für Bluthochdruck im späteren Leben erhöht, und das kann eine Erklärung für das wachsende Problem in den ärmeren Ländern sein“, sagt Ezzati.

Bluthochdruck gilt als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall. Auch andere lebenswichtige Organe wie Nieren und Augen können bei dauerhaft erhöhtem Blutdruck geschädigt werden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat hoher Blutdruck im Jahr 2010 weltweit rund 9,4 Millionen Todesfälle zur Folge gehabt. Als Risikofaktoren gelten Übergewicht, zu wenig Bewegung, eine ungesunde, zu salzhaltige Ernährung, erhöhter Alkoholkonsum und Stress. Tendenziell steigt der Blutdruck im Alter an.

In Deutschland ist der Blutdruck nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, vor allem bei Frauen. Das zeige unter anderem eine Auswertung von Daten aus den Jahren 2008 bis 2011. Als einen Grund nennt das RKI, dass der Grenzwert für eine Behandlung gesenkt wurde – von 160 mmHG auf 140 mmHG systolischen Blutdruck. Er gibt den maximalen Druck an, während sich das Herz zusammenzieht und Blut in den Kreislauf presst. Auch eine zunehmend gesündere Lebensweise habe vermutlich dazu beigetragen, heißt es weiter.