Geburtsmedizin

Baby trotz chronischer Erkrankung dpa, 01.11.2017 12:40 Uhr

Auch wer eine Krankheit wie Rheuma oder Diabetes hat, wünscht sich vielleicht ein Kind. Heutzutage ist eine Schwangerschaft auch für chronisch kranke Frauen gut machbar. Entscheidend ist, sich gut vorzubereiten und Spezialisten mit ins Boot zu holen. Foto: Elke Hinkelbein
Jena - 

Noch vor ein paar Jahrzehnten war es schier unvorstellbar: als Rheumatikerin ein Baby bekommen? Mutter werden mit Epilepsie, schwerem Asthma oder Diabetes? Tauchten chronisch kranke Frauen mit Kinderwunsch beim Arzt auf, bekamen sie meist zu
hören: „Das geht nicht.“ Heute ist es anders. „Die moderne Geburtsmedizin kann heute in Kooperation mit den anderen behandelnden Fachgebieten vieles ermöglichen, was früher undenkbar erschien“, sagt Professor Dr. Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin am Uniklinikum Jena.

Für die Frauen stellen sich dennoch viele Fragen: Schafft mein Körper das? Darf ich in der Schwangerschaft Medikamente nehmen? Welche Risiken gibt es? Experten sind sich einig: Entscheidend für eine erfolgreiche Schwangerschaft ist eine sorgfältige Vorbereitung.

Bevor das Paar nicht mehr verhütet, sollten sowohl der Frauenarzt als auch der Spezialist für die chronische Erkrankung eingeweiht sein. Gemeinsam mit der Patientin entscheiden sie, welche Medikation die richtige ist, sie besprechen, ob es Risiken gibt und – ganz wichtig – welche Ängste die Patientin umtreiben.

Insgesamt stehen die Chancen, schwanger zu werden und ein gesundes Kind zu bekommen bei guter Vorbereitung nicht wesentlich schlechter als bei Gesunden. Abraten würde man einer Frau heute eigentlich nur noch, wenn das Leben der Mutter oder des Kindes bedroht wäre, sagt Veronika Bujny, Vorsitzende des Hebammenverbandes Niedersachsen. Sie rät den Frauen, zumindest nicht nur auf die Krankheit zu schauen: „Das Natürliche und Gesunde in der Schwangerschaft sollte betont werden.“

Manchmal braucht die Planung allerdings ein wenig Zeit. Zu Beginn der Schwangerschaft sollten die Patientinnen gut eingestellt und das Krankheitsniveau niedrig sein. „Es ist wichtig, mit einer stabilen Situation in die Schwangerschaft zu gehen – egal ob es sich um Epilepsie, eine Stoffwechselerkrankung, eine Autoimmunerkrankung, chronische Entzündungen oder Diabetes handelt“, sagt Schleußner.

Sind die Entzündungswerte hoch oder gab es gerade einen Krankheitsschub, muss der Arzt erstmal die Erkrankung behandeln. Eine Schilddrüsenüber- oder unterfunktion etwa erhöht das Risiko für eine Fehlgeburt. Bei Diabetes kann eine schlechte Einstellung schwere Erkrankungen beim Kind verursachen.

Manche Medikamente dürfen Schwangere allerdings nicht nehmen. Fast immer gibt es dann aber eine Alternative. Die Berliner Charité stellt auf der Webseite www.embryotox.de Informationen zur Verträglichkeit von Medikamenten in der Schwangerschaft zur Verfügung. Über ein Online-Formular und per Telefon können sich Betroffene auch direkt beraten lassen.

Eine Umstellung der Medikamente erfolgt aber natürlich immer in Absprache mit den behandelnden Ärzten. Schleußner warnt davor, unkontrolliert etwas zu ändern oder Medikamente einfach abzusetzen. „Dann kann es in den entscheidenden ersten drei Monaten der Schwangerschaft zu einer ungünstigen Einstellung der Krankheit kommen“. Das Risiko für Komplikationen steigt dadurch.

Für manche Erkrankungen gibt es auch spezielle Kinderwunschsprechstunden. Dort werden Frauen darüber aufgeklärt, welche Folgen eine Schwangerschaft möglicherweise für die chronische Erkrankung hat. So kann die Hormonumstellung bei bestimmten rheumatischen Erkrankungen, den Kollagenosen, einen Krankheitsschub auslösen, erklärt Dr. Rebecca Fischer-Betz. Sie leitet an der Uniklinik Düsseldorf eine Spezialsprechstunde für Rheumapatientinnen mit Kinderwunsch.

Bei der rheumatoiden Arthritis können sich die Symptome während der Schwangerschaft dagegen sogar verbessern. Allerdings: „Die rheumatische Erkrankung ist in der Schwangerschaft nicht verschwunden. Viele Frauen haben weiter Beschwerden und müssen behandelt werden“, sagt Fischer-Betz.

Dass das heutzutage so gut möglich ist, liegt zum einen am medizinischen Fortschritt, zum anderen aber auch daran, dass man mittlerweile viel über den Schwangerschaftsverlauf bei kranken Frauen weiß.

Sie profitieren beispielsweise von Registern, in denen Daten von betroffenen Patientinnen gesammelt werden. Sie zeigen etwa, wie sicher ein bestimmtes Medikament in der Schwangerschaft ist. Rebecca Fischer-Betz etwa hat gemeinsam mit Anja Strangfeld vom Deutschen Rheuma-Zentrum Berlin „Rhekiss“ ins Leben gerufen – ein Schwangerschaftsregister für Rheumapatientinnen. Dort werden Daten vom Kinderwunsch über die Schwangerschaft bis hin zur kindlichen Entwicklung in den ersten zwei Lebensjahren gesammelt.

Ekkehard Schleußner findet es großartig, dass immer mehr Frauen mit chronischen Krankheiten Kinder bekommen. Er ermutigt sie, den Kinderwunsch frühzeitig zu äußern und das Thema nicht zu lange aufzuschieben. „Je früher man die Schwangerschaft plant, desto besser.“ Später kann die Krankheit schwerer werden – und altersbedingte Risiken kommen dazu.