Schließung

Attraktive Lage? Das war einmal Eugenie Ankowitsch, 04.08.2018 07:22 Uhr

Berlin - 

Als Dr. Achim Gullartz die Apotheke am Pferdemarkt in Stade vor mehr als zehn Jahren übernahm, konnte es sich über eine attraktive Lage direkt am Hauptplatz der niedersächsischen Kreisstadt freuen. Alle Busse der Stadt hielten quasi vor seiner Tür. Doch in den vergangenen Jahren hat sich nicht nur die Infrastruktur der Stadt, sondern auch die Apothekerlandschaft verändert. Vor wenigen Wochen hat Gullartz die Apotheke am Pferdemarkt geschlossen.

Pferdemarkt ist der Hauptplatz der rund 50.000 Einwohner großen Kreisstadt Stade in Niedersachsen. Nicht nur die Haupteinkaufsstraßen laufen alle auf den Platz zu. Es befinden sich einige Geschäfte, unter anderem die C&A- und H&M-Filialen sowie eine Niederlassung der Post, hier. Mittwochs und samstags findet dort ein Wochenmarkt statt. Alle Buslinien der Stadt machen hier außerdem einen obligatorischen Halt.

Eine durchaus attraktive Lage für eine Apotheke, möchte man meinen. Das war sie auch lange Jahre. Doch vor wenigen Wochen wurde die Apotheke am Pferdemarkt geschlossen. Die Gründe sind laut Inhaber Gullatz, der gemeinsam mit seiner Frau nur 140 Meter weiter die Fontane-Apotheke betreibt, wie so oft vielfältig.

Fakt ist, dass die ehemals attraktive Lage der Apotheke sich in den vergangenen Jahren rapide verschlechtert hat. Früher befanden sich drei Arztpraxen in unmittelbarer Nähe. Die Ärzte haben jedoch inzwischen ihre Praxen aufgegeben oder sind an einen anderen Standort gezogen. „Nur von der Laufkundschaft zu leben, funktioniert leider nicht“, sagt der Apotheker. Zumal der Busbahnhof nach Plänen der Stadtverwaltung in den nächsten Jahren verlegt werden soll. Stattdessen soll der Platz zu einem Erholungsort umgestaltet werden. Schön für die Menschen, die in der Stadt leben. Für die Frequenz in der Apotheke wäre das jedoch ein herber Rückschlag, wenn die Stadtbusse nicht mehr direkt vor der Tür halten.

Bereits jetzt hätten sich laut Gullatz die Passantenströme verändert. So wurde am Rande der Fußgängerzone vor wenigen Monaten ein neues Einkaufscenter eröffnet. Viele Menschen würden nun andere Wege wählen, die nicht mehr über den Pferdemarkt führen, berichtet der Apotheker. Dafür aber an der Fontane-Apotheke, die sich im Erdgeschoss eines Ärztehauses mit einem attraktiven Ärztemix, darunter ein Kinderarzt und ein Allgemeinmediziner, befindet.

Daher fällte der Apotheker die Entscheidung, seine Filial-Apotheke zu schließen und sich fortan gänzlich auf die Fontane-Apotheke zu konzentrieren. Zumal sich der Standort, den Gullartz seit 2002 führt, in den vergangenen Monaten prächtig entwickelt habe. „Ohne, dass wir wirklich etwas dafür gemacht haben, hatten wir einen Zuwachs im zweistelligen Prozentbereich im ersten Halbjahr“, freut sich der Apotheker. Um die Apotheke angemessen am Laufen zu halten und weiterzuentwickeln, brauche er Fachkräfte, die jedoch nur schwer zu finden seien. Deshalb wird das gesamte Team der Apotheke vom Pferdemarkt in der Fontane-Apotheke weiter beschäftigt.

Insgesamt ist laut Gullarzt in den vergangenen Jahren eine Verschiebung in der Apothekenlandschaft der Kreisstadt zu beobachten. Ehemals attraktive Lagen verlieren an Bedeutung, andere gewinnen an Attraktivität. Doch nicht nur die Infrastruktur verändere sich. „Konzepte wie Pluspunkt, die in unmittelbarer Umgebung eröffnen und die Kunden nur noch über die Preise locken, versetzen den eingesessenen Apotheken häufig den Todesstoß“, meint der Pharmazeut.

Erst vor wenigen Monaten zog auch Apotheker Jürgen Fischer Konsequenzen aus den veränderten Rahmenbedingungen und schloss nicht nur seine Filialapotheke in einem Wohngebiet der Stadt, sondern auch die Rats- und Einhorn-Apotheke mitten in der Fußgängerzone. Dabei gehörte sie seit 600 Jahrhunderten zum Stadtbild von Stade. Seit 1995 führte Fischer die traditionsreiche Apotheke. Stattdessen eröffnete er eine Apotheke in einem Neubaugebiet am Stadtrand.

Personalmangel, aber vor allem wachsender Konkurrenzdruck hätten ihn zu diesem radikalen Schritt bewogen. „In den vergangenen Jahren sind zwei sehr preisaktive Apotheken hinzugekommen“, erklärt Fischer seine Entscheidung. Der Verteilungskampf sei härter geworden.

Das Umfeld im Neubaugebiet sei dagegen sehr attraktiv. Die Senioren in direkter Nachbarschaft, die jungen Familien, die in den vergangenen Jahren dort ihre Häuser gebaut haben, die geplante Erweiterung der Siedlung, der Bau eines Schulzentrums und vor allem die baldige Eröffnung des großen Famila-Marktes im August vis-à-vis der Apotheke, der die bisher fehlende Laufkundschaft bringen soll, waren gute Argumente für eine Verlagerung der Apotheke in den Stader Süden. Den Konkurrenzkampf in der Innenstadt können nun die verbliebenen fünf Apotheken unter sich austragen. Die Einhorn-Apotheke ist dagegen die einzige Apotheke im Umkreis.