Arzt schreibt Jauch: „Wir brauchen unsere Vor-Ort Apotheken“ 25.07.2025 09:00 Uhr
Die Werbung für Shop Apotheke mit „Wer wird Millionär?“-Moderator Günther Jauch gerät wiederholt in die Kritik von Apothekenteams. Dabei wenden sich nicht nur Inhaber und Inhaberinnen an Jauch, sondern auch Patienten und Patientinnen und Ärzte und Ärztinnen. Dr. Heinz Giering, der rund 30 Jahre als Notarzt in Nürnberg tätig war und inzwischen im Ruhestand ist, betont klar: Apotheken vor Ort sind ein wichtiger Baustein für die Volksgesundheit.
Bereits am 15. Oktober vergangenen Jahres hatte sich Giering mit einer E-Mail an den Moderator gewandt und an ihn appelliert, seine Werbeaktivitäten für Shop Apotheke noch einmal zu überdenken. Jauch antwortete auch – allerdings, obwohl mit handschriftlicher Anrede und handschriftlichem Gruß, eher mit nur „halbherzigen Antworten“, wie Giering sagt. Werbekampagnen wie die des „Wer wird Millionär?“-Moderators schaden nach seiner Einschätzung der Versorgung vor Ort. Es gebe viele gute Gründe, nicht auf Versender zurückzugreifen.
Beratungssicherung durch Vor-Ort-Apotheken
„In den nächsten 3 bis 5 Jahren werden etwa 40.000 Haus- und Fachärzte altersbedingt in den Ruhestand gehen“, gibt Giering zu bedenken. Dadurch werde eine eklatante Versorgungslücke für Patientinnen und Patienten entstehen. „Vor-Ort-Apotheken können diese Versorgungslücke als niedrigschwellige Anlaufstelle abmildern, insbesondere wenn es sich um Stammapotheken handelt, die ihre Patienten und Stammkunden seit langer Zeit kennen“, betont er.
Gerade sogenannte Hausapotheker hätten einen Überblick über alle – gegebenenfalls auch von verschiedenen Ärzten – verordneten Medikamente. Dadurch seien sie in der Lage, Wechselwirkungen zu erkennen. Zudem würden Apotheken vor Ort bei der Übergabe der Medikamente auf wichtige Einnahmebesonderheiten hinweisen. Beides leisten Versender laut Giering nicht. Als Beratungsersatz seien Beipackzettel nur eingeschränkt geeignet, da sie von vielen Patienten entweder nicht gelesen oder nicht verstanden würden, warnt er.
Engpassmanagement
In Zeiten massiver Lieferschwierigkeiten – auch bei lebenswichtigen Medikamenten – kümmern sich Apotheken um geeignete Ersatzpräparate. „Apotheker und Ärzte in der Region kennen sich in aller Regel persönlich und können mittels kurzem Draht unkompliziert Rücksprache nehmen“, sagt Giering. Umgekehrt könnten sich auch Ärzte in komplizierten Fällen mit der örtlichen Apotheke abstimmen – was bei Versendern nicht möglich sei.
Rezeptur
Nach wie vor gebe es zahlreiche Salben, Tropfen und Tinkturen, die individuell für einzelne Patienten direkt vor Ort hergestellt werden müssten. „Werden Apotheken durch Online-Medikamentenhandel weiter verdrängt, kommt es zu einem Verlust dieses Services“, warnt Giering.
Apotheken würden ihre Kundschaft nicht nur beim Erwerb von OTC-Präparaten beraten, sondern auch bei Inkontinenzproblemen, Hautpflege, Stechmückenschutz und vielem mehr – teilweise sogar zu Impfungen oder mit eigenen Impfangeboten. „Mit dem Verdrängen von Apotheken durch den Online-Handel werden all diese Servicemaßnahmen ebenfalls verschwinden und als Folge einen nicht zu unterschätzenden Schaden zum Nachteil der Patienten und der Volksgesundheit haben“, erklärt Giering.
Außerdem liefern auch Vor-Ort-Apotheken in der Regel aus – insbesondere an ihre Stammkunden, wenn diese immobil, alt oder gebrechlich seien. Damit sei auch der Kern des von Jauch beworbenen Konzepts kein wirklicher Vorteil.
Rx-Boni
Zu den genannten Argumenten kommt für Giering nun auch noch das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hinzu. Dass der BGH den – zumeist aus dem Ausland operierenden – Versender nun das Gewähren von Rx-Boni gestattet habe, sei ein weiterer „Todesstoß“ für die Vor-Ort-Apotheken. Privatkrankenkassen würden ihre Versicherten gezielt in diese Richtung lenken, warnt er.
„Versender machen ein gesund gewachsenes, leistungsfähiges und notwendiges Versorgungssystem zum Nachteil der Patienten kaputt“, betont Giering.