Notlandung in Wien

Apotheker als Lebensretter im Flugzeug Cynthia Möthrath, 01.08.2021 07:51 Uhr

Richtig erkannt und schnell gehandelt: Apotheker Dragan Ivkovic hat auf dem Heimflug von Antalya einer jungen Frau das Leben gerettet. Foto: Ivkovic
Berlin - 

Eigentlich befand sich Apotheker Dragan Ivkovic frisch entspannt vom Urlaub auf dem Heimflug Richtung Deutschland. Dass er wenige Stunden später zum Lebensretter wird, ahnte er da noch nicht. Um das Leben einer jungen Frau zu retten, wurde sogar eine Notlandung erforderlich.

Vor gut zwei Wochen machte sich Ivkovic mit seinem Freunden von Antalya zurück auf den Weg nach Deutschland, um seinen Kunden in der Rochus Vital Apotheke in Rüsselsheim wieder mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Ich habe schon beim Einsteigen gesehen, dass es einem Mädchen vorne im Flugzeug nicht so gut ging“, berichtet der Apotheker. Er habe sich jedoch nichts dabei gedacht. „Vielleicht war sie einfach müde oder hatte Angst vor dem Flug.“ Schließlich versuchte auch Ivkociv zu schlafen.

„Ich bin dann von Geräuschen um mich herum wachgeworden und die Sitzreihen vor mir waren frei.“ Alle seien sehr aufgewühlt gewesen. „Vorne lag das Mädchen dann bewusstlos auf dem Boden – das war wirklich ein Schock.“ Die 23-jährige sei mit ein paar Freundinnen unterwegs gewesen. Diese hätten versucht sie anzusprechen, ihr ins Gesicht geklopft und die Beine angehoben. „Sie hat aber überhaupt nicht reagiert. Die Freundinnen waren total aufgelöst und haben geweint.“

Schließlich fragte Ivkovic die Begleiterinnen, ob die bewusstlose Frau irgendwelche Erkrankungen habe, oder im Urlaub Medikamente einnehmen musste. „Eine der Freundinnen erklärte dann, sie sei Diabetikerin“, meint der Apotheker. Schnell wurde ihm klar, dass es sich wahrscheinlich um eine gefährliche Blutzuckerentgleisung handeln musste. „Entweder sie war unterzuckert oder sie hatte einen diabetischen Schock.“ Ivkovic misst den Puls mittels Handy-Stoppuhr und Finger und stellt fest, dass dieser zu hoch ist.

Im Handgepäck fand er schließlich ein Blutzuckermessgerät und einen Apidra-Pen. „Ich habe dann an ihrem Finger den Blutzucker gemessen und der Wert war über 600 – das war natürlich viel zu hoch.“ Daraufhin habe Ivkovic dem Flugpersonal erklärt, dass die Frau sofort ins Krankenhaus müsse. „Es wären noch mehr als anderthalb Stunden bis nach Deutschland gewesen.“

„Ich habe überlegt was ich tun kann – da ich kein Arzt bin, durfte ich ihr das Insulin ja nicht einfach verabreichen“, erklärt er. Aus dem Flugzeug seien waghalsige Vorschläge gekommen, wie einfach einen halben Pen auf einmal zu verabreichen – schließlich habe man so etwas mal im Film gesehen. Eine weitere Passagierin, die ebenfalls unter Diabetes leidet, habe sich schließlich bereiterklärt die Verantwortung zu übernehmen und ihr zunächst 10 Einheiten verabreicht. Bei einer erneuten Messung sei der Wert zwar auf 510 gesunken, jedoch direkt wieder angestiegen.

„Da wurde mir klar, dass wir notlanden müssen, sonst würde sie es nicht schaffen“, meint Ivkovic. Schließlich habe man auf ihn gehört und sei wenig später in Wien zwischengelandet. „Dort stand dann schon der Notarzt und hat sie versorgt und direkt mitgenommen.“ Dennoch habe er sich im Anschluss bei den Freundinnen erkundigt, ob und was die Frau zuvor gegessen hatte. „Dabei kam raus, dass sie im Urlaub viele Muscheln verzehrt hatte und außerdem eine Schilddrüsenerkrankung hat. Das viele Jod in den Muscheln könnte da mitreingespielt haben“, so der Apotheker. „Ich denke, da ist vieles zusammengekommen und schließlich hatte sie dann eine Ketoazidose.“

Ob es der jungen Frau gut geht, weiß Ivkovic leider nicht. „Ich habe erst einen Tag später realisiert, was da eigentlich passiert ist“, gibt der Apotheker zu, „und dass ich wahrscheinlich ihr Leben gerettet habe.“ Denn um ihn herum seien alle ziemlich ratlos gewesen. „Keiner hat daran gedacht, dass sie Diabetikerin sein könnte und niemand wusste was zu tun ist.“ Außerdem würden sich viele Menschen in solchen Situationen zurückhalten, aus Angst Verantwortung zu übernehmen. „Ich wusste ja, dass ich mich auskenne – also musste ich etwas tun.“ Im Flugzeug habe er also nicht lange nachgedacht, sondern einfach gehandelt.