9,8 Millionen Euro Schaden: Scheinrechnungen statt Apothekenpflicht 02.06.2025 10:25 Uhr
Über ein komplexes Geschäftsmodell sollen ein 48-jähriger Geschäftsführer aus Nürnberg, ein 65 Jahre alter Apotheker aus München sowie zwei 39 und 41 Jahre alte Mitarbeiter die Apothekenpflicht umgangen und sich dadurch ungerechtfertigt bereichert haben. Davon geht die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) aufgrund ihrer Ermittlungen aus. Die Krankenkassen sollen dadurch Beträge in Höhe von rund 9,8 Millionen Euro zu Unrecht ausbezahlt haben.
Im Fokus standen schwerkranke Patienten, die mit hochpreisigen Medikamenten versorgt werden mussten. Der angeschuldigte Geschäftsführer betrieb – so der Vorwurf – hierzu als Alleingesellschafter ein Unternehmen, das die Medikamente unmittelbar von Herstellern bezog und diesen gegenüber als Großhändler auftrat. Die Medikamente sollen sodann entsprechend den von dem Geschäftsführer und seinem bei der Firma angestellten, 41 Jahre alten Angestellten vorgegebenen Arbeitsabläufen direkt an die jeweiligen Patienten verschickt worden sein.
Obwohl – wie den Angeschuldigten bekannt gewesen sein soll – wegen der Umgehung der Apothekenpflicht die sozialrechtlichen Voraussetzungen für die Abrechnung nicht vorlagen, sollen regelmäßig Leistungen gegenüber den Krankenkassen abgerechnet worden sein. Sinn und Zweck der in § 43 des Arzneimittelgesetzes (ApoG) geregelten Apothekenpflicht ist unter anderem, dass die Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit grundsätzlich nur unter Aufsicht und Verantwortung eines Apothekers, also einer Person mit entsprechender Sachkunde erfolgen soll.
Um dies zu verschleiern, soll der Geschäftsführer regelmäßig an die Apotheke des angeschuldigten Apothekers adressierte Rechnungen über die Lieferung von Medikamenten erstellt haben. Tatsächlich lagen diesen Rechnungen jedoch keine tatsächlichen Lieferungen zugrunde. Diese Scheinrechnungen sollen vielmehr der unzulässigen Verschleierung der Direktabgabe der Medikamente an die Patienten gedient haben.
Der Apotheker und sein 39 Jahre alter Angestellter sollen diese Scheinrechnungen beglichen und sodann die Arzneimittel im Kassensystem der Apotheke als von ihr verkauft erfasst haben. Anschließend sollen sie die Rezepte für die Abrechnung bei den Kassen bedruckt haben. Die Rezepte sollen dann über ein Abrechnungsunternehmen den Krankenkassen in Rechnung gestellt worden sein, welche diese auch bezahlten. Es sollen hierdurch von den Krankenkassen Beträge in Höhe von rund 9,8 Millionen Euro zu Unrecht ausbezahlt worden sein.
Anlass der Ermittlungen waren Mitteilungen mehrerer Krankenkassen, die im Rahmen von Überprüfungen feststellten, dass einzelne von der Apotheke zur Abrechnung eingereichte Rezepte ein Verordnungsdatum aufwiesen, welches zeitlich nach dem Sterbedatum eines Patienten lag.
Den Angeschuldigten liegt insbesondere gewerbsmäßiger Bandenbetrug und vorsätzliche Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Nichtberechtigte in mehreren Fällen sowie Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug und zur vorsätzlichen Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Nichtberechtigte, ebenfalls in mehreren Fällen, zur Last.
Über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens muss jetzt die zuständige Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth entscheiden. Die ZKG strebt neben der Bestrafung der Angeschuldigten die Einziehung der offenen Schadensbeträge – und damit letztlich die Wiedergutmachung der Schäden – im Rahmen der Hauptverhandlung an. Bis zu einer etwaigen rechtskräftigen Verurteilung gelten die Beschuldigten laut ZKG als unschuldig.