Biosimilars

Wenn Generikahersteller forschen Alexander Müller, 10.10.2008 08:15 Uhr

Berlin - 

Mit dem Aufschwung der Biosimilars fällt den Generikaherstellern eine völlig neue Rolle zu: Sie müssen zumindest ansatzweise Forschung betreiben, aufwändigere Studien durchführen und den Markteintritt ihrer Produkte viel langfristiger planen. Das alles drückt die Einsparpotenziale für die Krankenkassen gegenüber den Biotech-Originalpräparaten. Beim „4. Berliner Dialog am Mittag“ des Branchenverbandes Pro Generika diskutierten am Mittwoch Vertreter der Krankenkassen, Hersteller und Wissenschaft über den Einsatz von Biosimilars in der Arzneimittelversorgung.

Zu den derzeit rund 140 biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen gibt es bislang nur eine Handvoll Biosimilars. Neben den zum Teil noch laufenden Patenten ist vor allem das wirtschaftliche Risiko ein Hemmschuh für die Hersteller: Denn bei der Entwicklung von Biosimilars werden die Weichen schon sehr früh gestellt. Christof Schumann von Stada brachte es auf den Punkt: „Habe ich die falsche Zelllinie, habe ich verloren.“

Die Entwicklung dauert den Herstellern zufolge zwischen sechs und acht Jahren. Während bei klassischen Generika Kosten im einstelligen Millionenbereich anfallen, verschlingt ein Biosimilar mitunter dreistellige Millionenbeträge. „Die Finanzchefs der Unternehmen gehen deshalb mit sehr spitzem Bleistift an solche Projekte“, sagte Udo Meurle von Sandoz.

Auch die Herstellung ist deutlich aufwendiger und entsprechend teurer. Die meisten Generikahersteller betreten dabei zudem Neuland. Neben den technischen Voraussetzungen fehlt das Know-How. Deshalb setzen die Hersteller zum Teil auf Kooperationen und holen sich das Spezialwissen auswärts. Zusätzlich ins Portemonnaie schlagen die höheren Anforderungen an Studien. So muss die Wirksamkeit an mehr als 100 Patienten nachgewiesen werden. Auch nach Markteintritt gelten strenge Auflagen an die Überwachung.

Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AdKÄ), forderte in diesem Zusammenhang eine bessere Datenlage: „Eine rationale Pharmakotherapie ist noch immer nicht möglich.“ Obwohl einige Wachstumshormone bereits seit 1989 auf dem Markt seien, fehlten aussagekräftige Studien. Ludwig lehnt eine feste Quote für Biosimilars aus medizinischen Gründen ab: „Die Proteine werden modifiziert und können die Antikörperproduktion des Patienten beeinflussen“, sagte Ludwig.

Auch Professor Dr. Theo Dingermann von der Universität Frankfurt sprach sich gegen die von den Herstellern geforderte Quote aus. Er geht trotzdem davon aus, dass in Zukunft ein regelrechter „Wettbewerb um Moleküle“ ausbrechen wird. Dabei seien allerdings einige Wirkstoffe nicht als Biosimilars geeignet, weil die Zahl der Patienten zu gering sei. „Es wird ein Rosinenpicken geben, denn die Investitionen sind enorm“, sagte Dingermann.

Die Krankenkassen dürften dagegen an einer möglichst hohen Quote interessiert sein. Obwohl das Einsparpotenzial prozentual gesehen im Vergleich zu herkömmlichen Generika deutlich geringer ausfällt, geht es aufgrund der hohen Preise für Biotech-Präparate um große Summen. „Biosimilars sind auf der Ebene des Apothekenverkaufspreises im Schnitt 20 bis 25 Prozent günstiger als die Originale“, so Wolfgang Kaesbach vom Spitzenverband der Krankenkassen. Kaesbach erwartet künftig einen stärkeren Wettbewerb unter den Biosimilars-Herstellern.