Schlecker-Versandapotheke

Vitalsana und das Apothekensterben Alexander Müller, 12.01.2010 11:05 Uhr

Berlin - 

Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel verstoßen aus Sicht des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Auch Versandapotheken mit Sitz im Ausland müssen sich laut einer Entscheidung des Gerichts vom 10. Dezember daran halten. Aus der jetzt veröffentlichten Urteilsbegründung geht zudem hervor, dass Schlecker/Vitalsana eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verlangt hatte. Der Bayerische Apothekerverband (BAV) hatte gegen das Bonussystem der niederländischen Versandapotheke geklagt.

Die Schlecker-Tochter hatte Kunden Gutscheine im Wert von 3 Euro pro eingelöstem Rezept auf das gesamte Sortiment der Drogeriekette gewährt. Da Vitalsana die Boni unmittelbar an den Erwerb der verschreibungspflichtigen Arzneimittel gekoppelt habe, werde der einheitliche Arzneimittelabgabepreis unterlaufen, so das OLG. Patienten sollten keine wirtschaftlichen Vorteile erlangen, wenn sie ihre Rezepte bei einer bestimmten Apotheke einlösen. Mit den Boni setze Vitalsana jedoch das Preisargument im Wettbewerb um den Kunden ein, so die Richter.

Mit der AMPreisV soll laut Urteilsbegründung verhindert werden, „dass Apotheken in einen - möglicherweise ruinösen - Preiswettbewerb zueinander treten“. Würden ausländische Versandapotheken von der AMPreisV befreit, käme es aus Sicht des OLG nicht nur zu einer Inländerdiskriminierung, sondern auch „zur Gefährdung des übergeordneten Schutzziels der Versorgungssicherheit auf dem Feld eines überragenden Schutzgutes, nämlich dem der Gesundheit“.

Langfristig kann laut OLG der Bestand von Apotheken und damit die Apotheken-Infrastruktur gefährdet werden: „In einer Art Reflex scheint dies auch im Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten auf, wenn diese, welche mit jährlich steigenden Raten Millionenumsätze in der Sparte der Versandapotheke generiert, im Falle des Verbots des Gutscheinsystems ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet sieht.“

Auch eine Trennung zwischen Erstgeschäft (Rezept einlösen) und Zweitgeschäft (Bonus auf das komplette Sortiment von Schlecker) wollten die Richter nicht gelten lassen, weil diese künstlich sei und dem maßgeblichen Verständnis einer effektiven Preisreduzierung zuwider laufe. Da in den Schlecker-Filialen Ständer mit Bestellformularen von Vitalsana stehen, „so ist der Weg des Verbrauchers von der Wahl des Lieferanten zur Einlösung des Gutscheins aus einem Großsortiment im wahrsten Sinne des Wortes nur ein Schritt.“

Auch europarechtlich sehen die Richter keine Hindernisse gegen eine Einbindung ausländischer Unternehmen unter deutsches Recht. Schließlich falle der Schutz der öffentlichen Gesundheit in die Kompetenz der Mitgliedstaaten. Das OLG lehnte es zudem ab, die Streitfrage dem EuGH vorzulegen, zumal beim Bundesgerichtshof (BGH) bereits sechs ähnliche Verfahren anhängig sind.

Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Bereicherungsverbot im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erkannte das OLG hingegen nicht. Vitalsana hatte zudem eine Aussetzung bis zu einer Entscheidung des BGH im April beantragt, allerdings ohne Erfolg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Vitalsana kann Revision beim BGH einlegen.