Versandhandel

Medicanimal entkommt Insolvenz APOTHEKE ADHOC, 21.08.2015 13:57 Uhr

Berlin - 

Für den insolventen Spezialversender Medicanimal geht es weiter. Ein Finanzinvestor übernimmt das auf Tierarzneimittel und -futter spezialisierte Unternehmen, das seit 2011 auch in Deutschland aktiv ist. Via Facebook meldet sich der Versender zurück und entschuldigt sich bei Kunden und Lieferanten für die längere Nichterreichbarkeit und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten.

Medicanimal war im Oktober 2007 in London von Ivan Retzignac und Andrew Bucher gegründet worden. Retzignac ist von Hause aus Investmentbanker; Bucher ist Tierarzt und hatte zuvor unter anderem für Roche gearbeitet. Für die Expansion holten die beiden Unternehmer in den vergangenen Jahren verschiedene Finanz- und Privatinvestoren an Bord.

Der größte Anteilseigner, Balderton Capital, hatte laut einem Bericht von „Sky News“ im Frühjahr versucht, den Versender für bis zu 100 Millionen Britische Pfund loszuschlagen. Damit hätte der Finanzinvestor seinen Einsatz innerhalb von drei Jahren verzehnfacht. Einem Bericht von Retailweek zufolge ist zuletzt allerdings eine Finanzierungsrunde geplatzt, sodass eine größere Lieferantenrechnung nicht bezahlt werden konnte und am 31. Juli Insolvenzantrag gestellt werden musste.

Seitdem war der Betrieb eingestellt – kurz zuvor hatte der Versender noch ein Werbemailing mit Sonderangeboten verschickt. Auf der Facebook-Seite machten Kunden ihrem Ärger darüber Luft: „Erst noch mit einem Sonderrabatt die Leute per Newsletter anlocken, zu bestellen und dann ohne Info einfach nicht liefern...“ „Einen Tag vor Insolvenzeröffnungsantrag Gutscheine verteilen, Gutschriften zusagen und (eventuell) nicht tätigen... definitiv mal überprüfenswert durch die Staatsanwaltschaft....“ „Es ist Betrug, bin vorher per email informiert worden(27.7.) das ich doch mein Futter nachbestellen müßte. Eine Aufforderung kurz vor der Insolvenz ist Betrug.“ „Für mich stellt diese Lockmail und die Bestellannahme bis Shopschließung eine arglistige Täuschung dar, hier ist mit Vorsatz kriminell betrogen worden, denn bei Annahme meiner Bestellung am 30.07. und Zahlungsaufforderung war medicanimal klar, dass die Ware nie an mich verschickt werden wird, sondern meine Zahlung einzig zur Vermehrung der Insolvenzmasse dient.“

Andere Nutzer wiesen auf die Probleme hin, die der Ausfall für sie mit sich gebracht hatte; „Ich war gerade mit meiner Katze beim Tierarzt (Blutzuckerkontolle) habe dort mein Futter neu kaufen müssen. Doppelte Ausgabe bei kleiner Rente!“ „115 Euro. Ich fahre Montag in den Urlaub und hab kein Urinary mehr.“ „Habe am 27.07.15 auch eine Bestellung per Vorkasse (40€) bezahlt und wartete dringend auf ein Medikament für meinen nierenkranken Kater!“ „Sauerei Betrüger seid ihr!“

Am 6. August stand der Deal mit Forward Dimension Capital. Der Finanzinvestor übernimmt alle Anteile, bleibt aber dem Management um Retzignac und Bucher treu. Man sei überzeugt vom Geschäftsmodell, den treuen Kunden, den guten Mitarbeitern und der Bekanntheit der Marke, sagte David Rigby, der in den Aufsichtsrat der Firma einzieht.

In Deutschland hatte sich das Team am 11. August via Facebook zurückgemeldet: „Ende letzter Woche hatten wir einen Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Die Insolvenz konnte jedoch erfolgreich abgewendet werden. Dies ermöglicht uns eine Umstrukturierung des Unternehmens und somit auch eine Stärkung der Finanzlage.“ Man bedauere, dass es nicht möglich gewesen sei, detaillierter über das Geschehen zu informieren. Jetzt habe man den Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen; allerdings könne es noch zu Verzögerungen kommen.

Gestern teilte das Unternehmen mit, dass die meisten Nachrichten nunmehr beantwortet sein sollten. „Des Weiteren freuen wir uns sehr Euch mitteilen zu können, dass wir beabsichtigen unsere Facebook Seite mit lustigen und teils lehrreichen Inhalten zum Thema Tiere wieder aufleben zu lassen.“

Mit Kunden in Großbritannien, Spanien und Frankreich ist Medicanimal laut eigenen Angaben führend in Europa. Zum Angebot gehörten neben Tierfutter und Accessoires vor allem Antibiotika, Flohmittel und Medikamente gegen Parasiten. Im vergangenen Jahr beschäftigte das Unternehmen 220 Mitarbeiter. Seit Gründung wurden 1,9 Millionen Kunden gezählt.

Gewachsen ist der Versender auch durch Zukäufe. Seit April 2011 gehörte Bestpet zum Unternehmen, das seit knapp einem Monat unter dem Namen Medicanimal geführt wurde. 2012 wurde der Internethändler Petmeds übernommen. Diese Internetseite ist derzeit ebenfalls nicht erreichbar. Weitere Töchter sind Pet-Supermarket und Animalmedicine.

Im Frühjahr 2011 wurde in Deutschland das Versandhandelverbot für Tierarzneimittel aufgehoben. Seitdem dürfen Versender aus dem Ausland Veterinärarzneimittel nach Deutschland schicken. Tierhalter müssen das Rezept per Mail oder Fax nach London schicken. Dort werden die Verordnungen nach Unternehmensangaben von Veterinärmedizinern geprüft.