Nahrungsergänzungsmittel

Urteil: Veniapharm-Abmahnung rechtsmissbräuchlich Alexander Müller, 26.03.2015 12:54 Uhr

Berlin - 

Solange Apotheker für jedes Produkt im Artikelstamm haften, sind sie von gezielten Abmahnaktionen bedroht. Wiederholt gegen Apotheken vorgegangen ist die Firma Veniapharm aus Grünwald, in mehreren Fällen wegen des Produkts „Orthoexpert ProManBoost“. Jetzt hat das Landgericht Osnabrück (LG) die Klage gegen eine Versandapotheke zurückgewiesen. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass es Veniapharm hauptsächlich um die Abmahngebühren ging.

Veniapharm hatte die Versandapotheke Apondo (Bad Apotheke, Rothenfelde) wegen „ProMan-boost“ abgemahnt. Moniert wurden unter anderem Angaben zum Effekt von Zink und den Süßstoffen. Da das Produkt die Tagesdosis von 2 Gramm L-Arginin enthalte, sei es darüber hinaus nicht verkehrsfähig und sicher, so Veniapharm. Ein Warnhinweis hätte demnach zwingend erfolgen müssen.

Apondo gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, jedoch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, und wollte daher auch die Abmahnkosten für die Kanzlei Beyerlein aus Mannheim nicht zahlen. Über den Betrag von mehr als 1000 Euro wurde vor dem LG gestritten.

Die Versandapotheke bestreitet, dass es tatsächlich ein Wettbewerbsverhältnis zu Veniapharm gibt. Bei der Firma handele es sich „um eine rechtsmissbräuchlich agierende Massenabmahnerin ohne eigentlichen wesentlichen Geschäftsbetrieb“. Bei der Abmahntätigkeit gehe es überwiegend um Geld. Im Übrigen sei das Produkt sicher und verkehrsfähig.

Das LG wies die Klage von Veniapharm ab. Selbst wenn man unterstelle, dass die beiden Anbieter tatsächlich Wettbewerber seien, bestehe kein Unterlassungsanspruch. Wegen eines früheren Urteils gegen Veniapharm war das Vorgehen aus Sicht der Richter rechtsmissbräuchlich.

Denn das Landgericht Hamburg hatte Veniapharm schon im Herbst 2014 verboten, wegen „ProMan-boost“ gegen Apotheken und Großhändler Abmahnungen auszusprechen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Aus Sicht des LG Osnabrück hätte Veniapharm auf den Ausgang dieses Verfahrens warten können. Das Gericht stellte klar, dass die Entscheidung in dem Hamburger Rechtsstreit formal rechtlich nicht bindend sei für dieses Verfahren. „Jedoch ist die Frage der Zulässigkeit des Vorgehens auch in diesem Falle quasi als präjudiziell anzusehen“, heißt es in der Begründung des Urteils vom 24. Februar.

Statt ein rechtskräftiges Urteil abzuwarten, sei Veniapharm in großer Zahl gegen nachrangige Mitbewerber vorgegangen und habe Unterlassungserklärungen gefordert. In rund einem Dutzend Fälle habe die Firma die Erstattung von Abmahnkosten geltend gemacht. Damit war aus Sicht der Richter überwiegend wahrscheinlich, dass es der Klägerin in erster Linie um die Erzielung von Einkünften durch Abmahnungen ging. Diese Zweifel habe Veniapharm nicht ausgeräumt.

Tatsächlich scheinen die vermeintlichen Verstöße der Wettbewerber sehr systematisch von Veniapharm verfolgt zu werden: Im Frühjahr 2014 gab ein Testkäufer beim Landgericht Kempten zu Protokoll, für Veniapharm-Geschäftsführer Lutz Kortmann als Testkäufer zu agieren.

Kortmann gab ihm demnach per E-Mail Aufträge, die Produkte wurden am selben Tag, spätestens zwei Tage später gekauft. Pro Einkauf bekomme er 20 Euro, bei 50 bis 100 Aufträgen pro Monat, sagte der Testkäufer, ein 25-jähriger Informatiker aus München, aus. Davon lebe er. Allerdings seien die Aufträge über Nahrungsergänzungsmittel wie etwa Ingwerbonbons zurückgegangen.

Dafür ist er offenbar an anderer Stelle aktiv geworden: Beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wurde von einem besorgten Verbraucher die Überprüfung des Produkts „ProMan-boost“ verlangt. Dabei soll es sich um den Testkäufer handeln. Die Behörde bestätigte, im Auftrag des Landratsamts eine entsprechende Prüfung des Produkts vorzunehmen. Zu den Ergebnissen ist noch nichts bekannt.

Schon wegen des Vorgängerprodukts hatten sich die Firmen vor Gericht gestritten, am Ende aber geeinigt. „ProMan-boost“ wurde laut Weber & Weber neu auf den Markt gebracht und ist jetzt nicht mehr als bilanzierte Diät, sondern als Nahrungsergänzungsmittel im Handel. Das Produkt spiele im Vertrieb ohnehin keine große Rolle, sagt Geschäftsführer Reiner Rittinghausen. Auf die Vergleichsangebote von Veniapharm wolle er trotzdem nicht eingehen: „Ich unterschreibe nichts, wir kämpfen das jetzt bis zum Ende durch.“

Dazu ist offenbar auch Veniapharm bereit. Die Firma hat gegen das Urteil des LG Osnabrück Berufung eingelegt. Weber & Weber hat wiederum nach eigenen Angaben in Hamburg ein Hauptsacheverfahren gegen Veniapharm eingeleitet, in dem die die Firma Beweise für ihre Geschäftstätigkeit vorlegen soll. Schätzungen des Herstellers zufolge laufen noch rund zwei Dutzend Verfahren gegen Apotheken.