70 Millionen Euro benötigt

Top 3: Noventi retten Alexander Müller, 22.03.2023 09:52 Uhr

Der LAV Baden-Württemberg will eigene Vermögenswerte als Sicherheit für Noventi stellen. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

In Stuttgart wird heute über die Noventi-Rettung abgestimmt: Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg (LAV) gibt es nur einen inhaltlichen Tagesordnungspunkt zu besprechen: Soll der LAV als Gesellschafter der B.A.G. Grundstückverwaltungsgesellschaft der Gewährung eines Darlehens in Höhe von 20 Millionen Euro an den Verein FSA zustimmen, der zur Eigenkapitaleinlage bei der Noventi vorgesehen ist? Die Noventi-Vorstände Mark Böhm und Frank Steimel kommen auch, um sich den Fragen der Apothekerschaft zu stellen.

Der Verein FSA ist Alleinaktionär der Noventi. Der LAV Baden-Württemberg ist – genauso wie der Bayerische Apothekerverband (BAV) – mit 32,5 Prozent an B.A.G beteiligt, weitere 25 Prozent hält der FSA, die restlichen Anteile gehörten früher der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) und liegen jetzt bei der Immobiliengesellschaft selbst. B.A.G. ist wiederum Eigentümerin des Bürogebäudes Tomannweg 6 in München, wo die Rezeptabrechnung von Noventi durchgeführt wird.

Im Zuge der notwendigen Sanierung sollen auch die Apothekerverbände etwas beisteuern. Während man in München längst entschieden hat, will man in Stuttgart eine möglichst breite Zustimmung einholen: Weil der LAV Baden-Württemberg seinem Anteil entsprechend für 7,2 Millionen Euro haften müsste, sieht die Satzung aus Sicht des Vorstands zwingend eine Befragung der Mitglieder vor.

In der Beschlussvorlage verweist der LAV auf den „umfassenden operativen und finanzwirtschaftlichen Restrukturierungsprozess“, in dem sich Noventi seit Mitte 2022 befinde. Das von Noventi in Auftrag gegebene Sanierungsgutachten „Resilienzprogramm-Fokus25“ sei dem Vorstand vorgelegt und die Einzelheiten mit dem Noventi-Vorstand erörtert worden.

Böhm und Steimel haben außerdem zugesagt, zur Mitgliederversammlung zu erscheinen und den Apotheker:innen umfassend Rede und Antwort zu stehen. Zuletzt hatten sich 75 der rund 1800 LAV-Mitglieder angemeldet, ein Erscheinen ist aber auch ohne Anmeldung möglich. Weil die Finanzspritze für Noventi durchaus heiß diskutiert wurde in der Apothekerschaft, könnte es auch voller und ungemütlich werden.

Der Vorstand um die Vorsitzende Tatjana Zambo und der Beirat empfehlen die Gewährung des Darlehens. Das Gutachten beschreibe die Finanz- und Ertragslage, analysiere Ursachen und benenne Maßnahmen und Handlungsfelder, „die zu einer Wiederherstellung der Profitabilität und Rentabilität der Noventi-Gruppe führen“, heißt es in der Beschlussvorlage. Es gehe von einer „insgesamt positiven Fortführungsprognose“ von Noventi aus. Das Gutachten sei auch „Grundlage weiterer Finanzierungsentscheidungen der beteiligten Banken“.

70 Millionen Euro benötigt

Laut der Durchleuchtung hat Noventi in den Jahren 2022 bis 2025 einen zusätzlichen Liquiditätsbedarf von rund 70 Millionen Euro. Mit den Banken habe sich Noventi Anfang Dezember 2022 auf die Zurverfügungstellung weiterer Liquidität in Höhe von 50 Millionen Euro geeinigt, schreibt der LAV. Dieses Finanzierungskonzept sieht allerdings vor, dass die restlichen 20 Millionen Euro von Seiten des alleinigen Anteilseigners FSA als Eigenkapital im Wege einer Kapitalerhöhung oder als Darlehen eingebracht werden.

Dieser Betrag für das Eigenkapital der Noventi soll dem FSA von der B.A.G. in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt werden. Hierzu stellt die B.A.G. aus nicht betriebsnotwendiger Liquidität Barmittel zur Verfügung. Ende 2020 standen knapp 8 Millionen Euro an Barreserven in den Büchern, allerdings könnte der Betrag durch das Ausscheiden der Apobank abgeschmolzen sein.

Darüber hinaus werde die B.A.G zu marktüblichen Konditionen ein Darlehen am Kapitalmarkt aufnehmen. Als Sicherheit dient das Grundstück am Tomannweg 6 mit dem darauf befindlichen Büro- und Verwaltungsgebäude.

In Stuttgart geht es heute nur um die Beteiligung des LAV. Auf den Verband entfällt gemessen am Gesellschaftsanteil an der B.A.G. einen Finanzierungsanteil von rund 7,2 Millionen Euro. Zambo hatte schon zum Zeitpunkt der Einladung im Februar gegenüber APOTHEKE ADHOC betont: „Wir geben hier einen Kredit, den wir verzinst zurückbekommen.“

In der Beschlussvorlagen heißt es: „Der Vorstand und Beirat des LAV ist sich der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Noventi-Gruppe für die Sicherstellung standeseigenen Apothekenabrechnung bewusst.“ In einem offenen Austausch mit der Noventi-Vorstandsebene habe man sich ein solides Konzept vorlegen lassen, „welches auch das finanzierende Bankenkonsortium überzeugt hat“ und die anstehenden Restrukturierungsmaßnahmen bis 2025 sichere.

Mittel des LAV dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Vorstand und Beirat sehen die Unterstützung des FSA zur Eigenkapitalfinanzierung der Noventi als vom eigenen Vereinszweck gedeckt an. Im Dezember beziehungsweise Februar hatten beide Gremien jeweils in außerordentlichen Sitzung beschlossen, die Zustimmung zum Finanzierungskonzept von einem positiven Beschluss der Mitgliederversammlung abhängig zu machen. Dieser werde „nach sorgsamer Prüfung und Abwägung der Fakten“ empfohlen.

Plan B: Direkte Beteiligung

Konkret stimmen die Mitglieder über die Gewährung eines Darlehens, die Aufnahme des immobiliengesicherten Darlehens der B.A.G., die grundpfandrechtlichen Belastung der Immobilie Tomannweg 6 in München und die Freigabe und Auszahlung des LAV-Finanzierungsbeitrages ab. Der Vorstand soll dann mit der Umsetzung zustimmen.

Vorsorglich will sich der Vorstand auch schon die Zustimmung „zur Verhandlung einer Wandlungsoption auf Aktien der Noventi SE zugunsten des LAV“ abholen. Es geht also um eine mögliche direkte Beteiligung des Verbands.