Produktion in Berlin

Schließungspläne: Streik bei Aristo 04.12.2025 14:29 Uhr

Berlin - 

Aristo will seine beiden Produktionsstandorte in Berlin dicht machen. Gestern rief die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) zum Warnstreik auf. 

Im Sommer hatte der Generikakonzern angekündigt, die Produktion in Berlin im kommenden Jahr zu schließen. Laut IGBCE verlieren wohl rund 180 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze. Weil die Verhandlungen über einen Sozialplan laut Gewerkschaft nicht vorankommen, wurde gestern zu einem achtstündigen Warnstreik aufgerufen. Rund 120 Beschäftigte sollen gestern die Arbeit niedergelegt haben.

Laut Gewerkschaftssekretärin Birgit Grunow sollen die Beschäftigten für ihre oft jahrzehntelange Treue zum Arbeitgeber „mit Peanuts abgespeist“ werden. „Das ist schäbig und nicht hinnehmbar. Wir fordern, dass der Konzern Respekt und Verantwortung für seine Beschäftigten zeigt. Wir kämpfen für Gerechtigkeit und Fairness.“ Aristo hatte im Sommer angekündigt, Gespräche mit den Betriebsräten beider Gesellschaften zu Interessenausgleich und Sozialplan aufnzunehmen. Beide Verfahren erfolgen unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben, hieß es. „Für alle betroffenen Mitarbeitenden wird ein umfassendes Unterstützungsangebot vorbereitet. Ziel ist eine sozialverträgliche und geordnete Umsetzung.“

Aristo ist im Besitz der Strüngmann-Familie und betreibt insgesamt fünf Produktionsstandorte – einen am Hauptsitz in Berlin Reinickendorf (Advance Pharma), einen im Stadtteil Lichterfelde (Steiner & Co.) sowie in Hilden (Lindopharm), Wernigerode (Pharma Wernigerode) und in Madrid (Laboratorios Medicamentos Internacionales, kurz Medinsa).

Die beiden Berliner Standorte sollen aufgegeben werden. Advance Pharma soll trotz umfassender Sanierungsversuche langfristig nicht aus den roten Zahlen gekommen sein. Im Fall von Steiner & Co. habe der Verlust wichtiger Rabattverträge die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Standorts untergraben. Die übrigen Standorte der Gruppe sind laut Sprecherin von der Maßnahme nicht betroffen. „Produktion, das gesamte Produktportfolio von Aristo, Versorgung, Weiterbelieferung und regulatorische Verantwortung bleiben vollumfänglich gewährleistet.“

Der Generikakonzern, der hierzulande die Nummer 5 hinter Hexal, Ratiopharm, Zentiva und Stada ist, geht auf mehrere Firmen zurück: Lindopharm mit Sitz in Hilden wurde bereits 2001 von der Strüngmann-Familie gekauft, als dieser noch Hexal gehörte. 2006 folgten Steiner & Co. (Sedariston, Sogoon) und Pharma Wernigerode (Kamillan, Parodontal, Imidin). Die Firmen wurden 2008 nach dem Ende des im Zusammenhang mit dem Hexal-Verkauf an Novartis vereinbarten Wettbewerbsverbots zu Aristo verschmolzen. Zeitgleich wurden die Produktionsanlagen von Lichtwer in Berlin aus der Konkursmasse des Kwai-Herstellers gekauft; die Marken hatte sich zuvor Klosterfrau einverleibt.

Medinsa gehört seit 2011 zur Gruppe und ist auf feste orale Arzneiformen spezialisiert. So ziemlich jedes größere Generikaunternehmen ist Kunde. Auch bei Cefuroxim gilt Aristo als führender Anbieter. Lindopharm gilt als Vorreiter bei der Herstellung von Stickpacks. Die interne Logistik wird über den 2009 übernommenen Hersteller Esparma (Espumisan) abgewickelt, an dem sich zuvor der indische Hersteller Wockhardt verhoben hatte. Das Logistikzentrum befindet sich in Osterweddingen bei Magdeburg.

Eigentlich hat die eigene Produktion einen wichtigen Stellenwert bei Aristo; vom Umsatz von 289 Millionen Euro entfielen zuletzt knapp 36 Millionen Euro auf die Lohnfertigung. Vor allem aber verfolgt der Konzern die Strategie, wesentlichen Teile der Wertschöpfungskette von selbst vermarkteten Kernprodukten zu kontrollieren. Die Produktion für Dritte ist daher nur zusätzliches Geschäft zur Kapazitätsauslastung und Profitabilitätssteigerung.

Allerdings sieht sich der Konzern hier einer zunehmende Konzentration und einer starken Konkurrenz aus dem nichteuropäischen Ausland ausgesetzt, insbesondere aus Indien. Es deute sich an, dass allgemeine Lohnherstellung ohne einen starken Verbund zunehmend schwieriger werde, hieß es zuletzt vom Management. Daher versuche man, durch eine Spezialisierung der Standorte und Investitionen in die Effizienz und Flexibilität sowie den Aufbau einer übergreifenden Vertriebsstruktur von diesen Entwicklungen mittelfristig zu profitieren.