Arzneimittelkennzeichnung

Salus: Verfassungsklage wegen Bio-Siegel APOTHEKE ADHOC, 09.11.2015 09:15 Uhr

Berlin - 

Dürfen Arzneimittel Bio-Siegel tragen oder sind die entsprechenden Symbole auf der Flasche als reine Werbung unzulässig? Nachdem der Phytohersteller Salus vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) die zweite Niederlage kassiert hat, soll die Sache jetzt vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gehen.

Für Salus war es bereits der zweite Anlauf: Nachdem Ende 2012 das Verwaltungsgericht Köln (VG) das firmeneigene Bio-Siegel auf dem Arzneitee „Mistelkraut, geschnitten“ verboten hatte, wurde im September 2013 der Antrag auf Berufung durch das OVG abgelehnt. Die Frist, im Rahmen dieses Verfahrens Verfassungsbeschwerde einzulegen, ließ das Unternehmen verstreichen.

Allerdings hatte die Salus-Schwesterfirma Schoenenberger dieselben Probleme mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). In Bruckmühl sah man bessere Erfolgschancen, die Vorgaben für Nahrungsmittel auf diese Produktgruppe zu übertragen. Dass Presssäfte überhaupt im Arzneimittelgesetz (AMG) erwähnt werden, ging übrigens auf eine Initiative von Unternehmensgründer Dr. Walther Schoenenberger zurück.

Das offizielle Biosiegel war von vornherein tabu, denn die Verwendung ist laut EU-Richtlinie ausschließlich für Lebensmittel vorgesehen. Laut OVG kann aber auch ein firmeneigenes Siegel nicht eingesetzt werden, da es nicht den Standardvorgaben für die Kennzeichnung von Arzneimitteln entspricht. Nach AMG sind weitere Angaben auf den Behältnissen und äußeren Umhüllungen nur zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen oder für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind. Nicht zulässig sind Angaben, die Werbecharakter haben können – also dazu gedacht sind, den Absatz zu fördern, indem sie das Produkt gegenüber der Konkurrenz herausstellen.

 

Wie schon die Vorinstanz fand auch das OVG, dass die Information über den – nicht näher definierten – biologischen Anbau weder für die Anwendung des Arzneimittels noch für die Gesundheit des Patienten von Bedeutung sei. Vielmehr werde der Käufer von den Pflichtangaben abgelenkt. Der fehlende konkrete Informationsgehalt spreche dabei für den werblichen Charakter: „Es ist für den Verbraucher überhaupt nicht ersichtlich, welche besonderen Kriterien das Erzeugnis beziehungsweise der pflanzliche Ausgangsstoff erfüllt, die über die an alle Arzneimittel gestellten strengen gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, und welche ökologischen Standards eingehalten werden.“

Auch gemäß Empfehlung des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) seien Angaben wie „koscher“, „halal“ oder „organic farming“ unzulässig, so das OVG.

Salus wirbt laut Geschäftsführer Christoph Hofstetter seit mehr als 20 Jahren auf allen Arznei- und Lebensmitteln mit einem firmeneigenen Bio-Siegel. Die aktuelle Diskussion war demnach entbrannt, weil neuerdings vor der Zulassung die Produktverpackungen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgelegt werden müssen.

 

Rund 1500 Produkte hat die Gruppe im Sortiment, darunter allein mehr als 200 Teesorten. Mit insgesamt annähernd 400 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 100 Millionen Euro gehört Salus zu den Marktführern der Reformwarenbranche. In mehr als 60 Länder exportiert der Hersteller seine Produkte.

In Deutschland werden rund 2000 Reformhäuser beliefert. Lange waren sie der wichtigste Absatzmarkt, dann ging die Zahl stark zurück. 2006 kündigte Seniorchef Otto Greither die Vertriebsbindungsvereinbarung, seitdem beliefert er auch Bioläden und den erweiterten Fachhandel. Immer noch entfällt ein Drittel des Umsatzes auf die Reformbranche, ein weiteres Drittel bringt der Export, den Rest teilen sich Apotheken und Bioläden.

Zur Gruppe gehört auch die Reformhaus-Kette Vitalia, die 2010 in die Insolvenz geraten war und zu der heute rund 80 Filialen gehören. Außerdem ist die Familie – sechs Kinder, mehr als ein Dutzend Enkelkinder – in zahlreichen anderen Bereichen engagiert: vom Biomasseheizwerk bis hin zum Versandhandel für Bio-Lebensmittel. Die Lohnhersteller Dragenopharm Apotheker Püschl und Swiss Caps hat die Familie 2008 gemeinsam mit einem Investor zur Aenova-Gruppe zusammengeführt und diese 2012 verkauft. Im Besitz der Familie ist seit 2005 zudem die Firma Astrid Twardy, ein Anbieter apothekenexklusiver Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel.