Kein Umverpacken wegen Securpharm

Reimporte: Überkleben bis zur Schmerzgrenze Patrick Hollstein, 21.01.2022 12:38 Uhr

Reimporte sollen als solche zu erkennen sein, finden die Originalhersteller. Auch Securpharm ändert daran nichts, findet der Generalanwalt am EuGH. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Reimporte sehen oft unschön aus – und das sollen sie auch. Jedenfalls haben die Originalhersteller nicht selten ein Interesse daran, dass das Konkurrenzprodukt irgendwie zweitklassig daher kommt. Selbst Securpharm ist kein ausreichender Grund für das Umverpacken in einen neuen Karton, findet Maciej Szpunar, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Überklebt werden muss demnach bis zur Grenze der Zumutbarkeit. Andererseits darf sich ein importiertes Generikum nicht als Original ausgeben.

Reimporte kommen derzeit eher selten in eigenen Umkartons daher; vielmehr sind überklebte Packungen die Regel. Das ist nicht unbedingt im Interesse der Parallelhändler, die ihrer Ware gerne einen hochwertigen Anstrich verpassen würden. Doch unter Rückgriff auf ihre Markenrechte können die Originalhersteller dafür sorgen, dass ein Import als solcher auch für den Patienten zu erkennen bleibt: Apothekenmitarbeiter kennen den Blick der Patienten, wenn sie eine Packung mit kyrillischen Buchstaben und ausgeschnittenen Aufklebern über den HV-Tisch reichen.

Allerdings dürfen Markenrechte nicht missbraucht werden, um Märkte künstlich abzuschotten. Vor dem EuGH geht es daher um die Frage, ob Parallelhändler ihre Ware wegen des Sicherheitssiegels in neue Umkartons umverpacken dürfen oder ob sie sichtbar geöffnete Kartons überkleben müssen. Das Landgericht Hamburg (LG) hatte einen Streit zwischen Novartis und Abacus um Votrient sowie ein Verfahren von Bayer gegen Kohlpharma wegen Androcur vorgelegt. Außerdem sollten die Richter in einem vergleichbaren Streit zwischen MSD Sharp & Dohme, Novartis, Ferring und Lundbeck mit Abacus entscheiden, der ursprünglich in Dänemark ausgetragen wurde. In allen Fällen hat der Generalanwalt nun Schlussanträge abgegeben, die den Richtern als Grundlage für ihre Entscheidung dienen sollen.

Laut Szpunar sind die EU-Vorschriften dahingehend auszulegen, dass sich der Inhaber einer Marke dem Vertrieb von Reimporten widersetzen kann, wenn diese in eine neue Verpackung umverpackt wurden, „auf der er nur einige der Marken dieses Inhabers, mit denen die Originalverpackung versehen war, angebracht oder durch andere Zeichen ersetzt hat, wobei er diese Marken nur als Hinweis auf den Namen der Ware und ihres Herstellers benutzt“.

Dies gilt auch dann, „wenn diese Ersetzung Spuren hinterlässt, die nach einer Überprüfung oder nach dem Öffnen der Verpackung durch den Patienten sichtbar oder wahrnehmbar sind, es sei denn, diese Sichtbarkeit der Öffnungsspuren auf der Verpackung ruft einen so starken Widerstand gegen die dergestalt umgepackten Arzneimittel hervor, dass sie ein echtes Hindernis für den tatsächlichen Zugang zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats darstellt“. Dies im konkreten Einzelfall zu prüfen, sei Aufgabe des jeweiligen Gerichts.

In einem weiteren Verfahren kommt Szpunar zu dem Schluss, dass Parallelhändler nicht einfach ein Generikum mit dem Namen des Originalpräparats versehen dürfen. Hier ging es um einen Fall aus Belgien: Die Reimporteure Impexeco und PI Pharma hatten Letrozol Sandoz und Methylphenidat HCI Sandoz aus den Niederlanden importiert und auf der Verpackung die Marken der Orginale Femara und Ritalin angebracht.

Laut Szpunar sollte das Umverpackung im Grundsatz immer dann erlaubt sein, wenn „es der tatsächliche Zugang der Ware zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats erforderlich macht, die Originalmarke durch die Marke, unter der identische Waren in diesem Mitgliedstaat vertrieben werden, zu ersetzen“.

Zwar seien Generikum und Original nicht per se identisch; mitunter sei der Austausch sogar explizit ausgeschlossen, so der Generalanwalt. Das Besondere in diesem Fall lag laut Szpunar aber daran, dass beide Produkte aus demselben Konzernverbund kommen. „In einem solchen Fall wären [...] weder die unterschiedliche rechtliche Regelung, die für Generika und Referenzarzneimittel gilt, noch ihre unterschiedliche Wahrnehmung durch medizinische Fachleute oder Patienten ausreichend, um das Recht des Inhabers der Marken für diese Arzneimittel zu begründen, sich der Ersetzung der im Ausfuhrmitgliedstaat benutzten Marke durch die im Einfuhrmitgliedstaat verwendete Marke zu widersetzen.“

Allerdings sei das Umverpacken nicht erforderlich: „Da der Parallelhändler das Generikum unter der Marke des Generikums und das Referenzarzneimittel unter der Marke des Referenzarzneimittels vertreiben kann, wobei er gegebenenfalls die Verpackung an die Anforderungen des Marktes des Einfuhrmitgliedstaats anpassen muss, verlangen die Regeln des Binnenmarkts nicht, dass der Parallelhändler befugt ist, eine dieser Marken durch die andere zu ersetzen und damit in die Rechte des Inhabers dieser Marken einzugreifen.“

Dazu kommt laut Szpunar, dass jedes Generikum definitionsgemäß auf einem Markt eingeführt werde, der vom Referenzarzneimittel besetzt sei – mit allen Konsequenzen, die dies hinsichtlich der Gewohnheiten von Ärzten und Patienten mit sich bringe. „Es ist daher Sache der Person, die das Generikum vertreibt, ihre Kunden von der Anwendung dieses Arzneimittels zu überzeugen. Jeder Versuch, dieses Ergebnis durch die Ersetzung der Marke zu erreichen, wäre ein Streben nach einem wirtschaftlichen Vorteil und ist daher nicht von der Erschöpfung des Rechts aus der Marke gedeckt.“