Video-Interview dm

„Pick-up ist gut für unser Image“ Alexander Müller, 27.05.2010 18:04 Uhr

Karlsruhe - 

Die Drogeriekette dm will über die Kooperation mit der niederländischen Versandapotheke Europa Apotheek Venlo sowie ein breites Arzneimittelsortiment die eigene Kompetenz in Gesundheitsfragen unterstreichen. Derzeit muss man in Karlsruhe aber befürchten, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung Pick-up-Stellen verbieten wird. dm-Geschäftsführerin Petra Schäfer sprach mit APOTHEKE ADHOC über Qualitätskriterien, die Apothekenpflicht und darüber, was die Pick-up-Stellen eigentlich bringen.

ADHOC: Wie ist das Konzept Pick-up entstanden?
SCHÄFER: Als im Jahr 2003 der Versandhandel zugelassen wurde, haben wir überlegt, wie wir an diesem neuen Markt partizipieren könnten. Unser Ziel ist es, kompetentester Anbieter für Gesundheitsprodukte außerhalb der Apotheke zu sein. Wir werden nicht mit der Apotheke konkurrieren können, weil das zwei ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle sind, die auch nicht miteinander vermischt sein sollten. Trotzdem muss man beim Kunden sein Profil schärfen.

ADHOC: Was bringen dm die Pick-up-Stellen?
SCHÄFER: Gar nichts, wenn es um monetäre Fragen geht. Aber es bringt insofern etwas, als dass dm mit Pick-up seine Gesundheitskompetenz stärkt. In barer Münze lässt sich das sehr schwer rechnen, das sind Imageaspekte und vertrauensbildende Maßnahmen. Unter dem Vertrauensaspekt zahlt es sehr wohl auf die Marke dm ein. Für die Europa Apotheek Venlo ist es natürlich eine Frage der Sichtbarkeit. Wenn man mit einem Unternehmen wie dm kooperiert und die Marke in 1100 Filialen immer wieder penetriert wird, zahlt das auf die Markenbildung ein.

ADHOC: Also ist es egal, wie viele Kunden Pick-up nutzen?
SCHÄFER: Beide Partner haben etwas davon: wir bei der Servicekompetenz, die Europa Apotheek bei der Markenbekanntheit. Unter diesem Gesichtspunkt muss man das sehen und nicht sofort unter einer Gewinn- und Verlustrechnung; sonst hätte man so ein Geschäft nicht beginnen dürfen. Ob das Angebot auch in der Menge angenommen wird, spielt zunächst eine untergeordnete Rolle. Verbraucherverhalten ändert sich langsam: Der Versandhandel hat sich auch nicht explosionsartig entwickelt, und Pick-up ist nur ein Teil davon.

ADHOC: Warum haben Sie trotzdem schon den Roll-out gestartet?
SCHÄFER: Eine nationale Bekanntmachung setzt auch die ubiquitäre Präsenz der Marke voraus. Wenn man flächendeckend verfügbar ist, kann man ganz anders kommunizieren. Deswegen haben wir nach einer einjährigen Testphase mit zunächst 80 Märkten den Roll-out gewagt.

ADHOC: Wie sehen Sie das geplante Pick-up-Verbot?
SCHÄFER: Ich gehe davon aus, dass das verfassungsrechtlich nicht haltbar wäre. Das hat auch das Bundesjustizministerium in einem Gutachten so gesehen. Insofern kann man sich das zwar auf die Fahnen schreiben im Koalitionsvertrag. Aber die Frage ist, ob man gegen die Einschätzung der Fachjuristen entscheiden kann, und noch dazu gegen den Willen des Kunden. Ich verstehe auch nicht, warum eine liberale Regierung Klientelpolitik betreiben muss und nicht alle Chancen ausnutzen will oder kann, die zur Kostendämpfung beitragen können - natürlich unter dem Gesichtspunkt, dass die Arzneimittelsicherheit gewahrt bleibt.

ADHOC: Sie meinen die Qualitätskriterien für Pick-up-Stellen.
SCHÄFER: Es ist es schon etwas anderes, ob ein Drogeriemarkt so einen Service anbietet oder eine Tankstelle oder ein Blumenladen. Drogeriemärkte beweisen seit 37 Jahren, dass sie in der Lage sind mit Arzneimitteln umzugehen. Ich bin sicher, dass wir schon heute alle derzeit diskutierten Standards erfüllen. Wir sind auch gerne bereit, an diesen Kriterien mitzuarbeiten.

ADHOC: Was schlagen Sie vor?
SCHÄFER: Der kleine Arzneimittelschein, also der Sachkundenachweis, wäre zwingend. Damit ist garantiert, dass die Menschen gelernt haben, mit dieser besonderen Ware umzugehen. Außerdem sollte die Übergabe an den Kunden dokumentiert werden. So steht es auch in unserem Papier. dm hat außerdem zur Bedingung gemacht, dass die Europa Apotheek Venlo eine kostenlose Telefonberatung anbietet. Damit ist Pick-up unter Qualitätsaspekten sicherer als der Versandhandel. Warum sollte ein Postbote, der garantiert keine Ahnung von Arzneimitteln hat, besser geeignet sein als ein Drogist, der unter nur verschärften Bedingungen das Arzneimittel aushändigt?

ADHOC: Würden Sie gegen ein Pick-up-Verbot vor das Bundesverfassungsgericht ziehen?
SCHÄFER: Ja, ganz sicher.

ADHOC: Versuchen Sie vorab, ein Verbot zu verhindern?
SCHÄFER: Pharmazeutische Lobbyarbeit - gerade auf der Ebene des Gesundheitsausschusses - muss in erster Linie die Europa Apotheek leisten. Die sind da nach meiner Einschätzung auch sehr präsent. Aber natürlich sind wir in enger Abstimmung mit unserem Partner.

ADHOC: Hat Sie das EuGH-Urteil zum Fremdbesitzverbot ausgebremst?
SCHÄFER: Eher nicht. Ein anderes Urteil hätte Drogeriemärkten ja nichts genutzt. Wir hätten dann einen zweiten Unternehmenskanal aufmachen und außerhalb unserer Filialen eigenständige Apotheken betreiben können. Aber das entspricht nicht unserer Strategie, wir sind ein exzellenter Drogist. Für britische oder amerikanische Verhältnisse hätte es weiterer Änderungen bedurft, davon ist das Fremdbesitzverbot nur ein Bruchteil.

ADHOC: Nichts in den Schubladen?
SCHÄFER: Sie können viele Konzepte in der Schublade haben; die meisten können Sie dann irgendwann zerreißen. Aus meiner Sicht geht es darum, in angemessener Zeit auf Veränderungen reagieren zu können. Es hatte auch niemand daran gedacht, dass mit der Freigabe des Versandhandels Pick-up-Stellen möglich würden.

ADHOC: Also eher die Flanke Apothekenpflicht?
SCHÄFER: Die können wir als Drogeriemarkt nicht angreifen, das wäre Sache der Hersteller. Und ich wage zu bezweifeln, dass die pharmazeutische Industrie derzeit großartiges Interesse daran hat. Auf Jahre gesehen werden sich die Verhältnisse aber an Europa angleichen. Dieser Sonderstatus in Deutschland ist nicht zu rechtfertigen. Erklären Sie mal einem Verbraucher, warum er ausgerechnet hier die höchsten Arzneimittelpreise bezahlen muss.