Privatgroßhändler

Pharma Privat: Ehering statt Freundschaftsband Patrick Hollstein, 02.11.2016 12:27 Uhr

Berlin - 

Für die Privatgroßhändler ist der Verkauf von Ebert+Jacobi an die Noweda ein Tiefschlag. Der Verbund Pharma Privat verliert auf einen Schlag ein Drittel seines Umsatzes und seine Präsenz in Bayern. Dennoch gibt man sich zuversichtlich: Jetzt sei man als Regulativ am Markt noch wichtiger als zuvor.

Überrascht habe man den Verkauf des Hauses Ebert+Jacobi in Würzburg zur Kenntnis genommen, sagt Hanns-Heinrich Kehr, Geschäftsführender Gesellschaft von Richard Kehr und Chef von Pharma Privat. Im Vorfeld habe der Verbund ein attraktives Angebot abgegeben, das noch in den letzten Tagen diskutiert worden sei. „Wir waren eigentlich guter Dinge, dass wir – wie in der Vergangenheit bei anderen Gelegenheiten auch – intern zu einer Lösung kommen würden.“ Die Entscheidung der Inhaberfamilie um Ralph-D. Schüller sei insofern sehr bedauerlich.

Für Pharma Privat sei der Verlust des nach Umsatz größten Mitglieds „ärgerlich und bitter“, räumt Kehr ein. „Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir uns gesellschaftsrechtlich so miteinander verknüpfen, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.“ Entsprechende Pläne hatte es in der Vergangenheit immer wieder gegeben, umgesetzt wurden sie bislang nicht.

Kehr räumt ein, dass Bayern für den Privatgroßhandel künftig ein weißer Fleck sei. Den Verlust an Flächendeckung werde man auch nicht mehr wieder gut machen können. Auch der Verlust von einem Drittel des Einkaufsvolumens treffe die verbliebenen fünf Unternehmen. Ein „Weltuntergang“ sei der Verlust von Ebert+Jacobi für die privaten Großhändler ab nicht: Als dritte Kraft im Markt werden man mehr denn je gebraucht.

„Wir sind überzeugt, dass uns als Selbstständigen im Umfeld internationaler Konzernwettbewerber und großer Genossenschaftskonzerne ab sofort eine noch wichtigere Bedeutung als Regulativ zukommt“, so Kehr. „Die nach Unabhängigkeit strebenden Apotheken werden unsere Leistung ebenso wie unsere Lieferanten mehr denn je zu schätzen wissen.“

Kehr ist überzeugt, dass der Privatgroßhandel jedenfalls nicht an Schlagkraft verlieren wird. Als Beispiele nennt er die sehr erfreuliche Entwicklung bei Fiebig in Ludwigshafen, Kehr/Holdermann in Berlin und Max Jenne in Lübeck. Dank „überzeugender Leistungen und Services“ werde man die Marktposition ausbauen; aktuell stehe man vor dem Rollout innovativer Marketing-Konzepte für die Mitglieder der Kooperationen A-plus und E-plus. Auch dank des seit mehr als 30 Jahren bestehenden europäischen Netzwerks sei man für zukünftige Aufgaben gut aufgestellt.

Zunächst müsse aber erst einmal die Trennung von Ebert+Jacobi vollzogen werden. Im Vordergrund steht die Organisation bei Pharma Privat, wobei in Würzburg zuletzt kaum noch wichtige Zentralfunktionen angesiedelt waren. Die Aufgaben innerhalb des Verbunds sind seit jeher dezentral verteilt: Den gemeinsamen Einkauf ist derzeit Andreas Sauer von Fiebig zuständig, für die Buchhaltung C. Krieger in Koblenz. Das gemeinsame Marketing läuft über Kehr; hier werden auch die hauseigenen Apothekenkooperationen betreut. Kehr rechnet damit, dass die Zahl der Apotheken bei A-Plus und E-Plus von 2800 auf 2200 zurückgehen wird.

Nach dem Verkauf von Ebert+Jacobi bleiben fünf Privatgroßhändler übrig. Max Jenne hat neben dem Hauptsitz in Lübeck Standorte in Kiel, Neumünster und Lüneburg. Richard Kehr mit Sitz in Braunschweig ist Mehrheitsgesellschafter bei Kehr Holdermann in Dessau; das Gemeinschaftsunternehmen mit Stefan Holdermann hatte vor einigen Jahren mit Kehr Berlin das Erbe der Einkaufsgenossenschaft der Apothekenkooperation Gesine angetreten.

Otto Geilenkirchen hat seinen Sitz in Aachen und eine Niederlassung in Mönchengladbach. C. Krieger liefert im Raum Koblenz, Fiebig mit Standorten in Ludwigshafen und Rheinstetten in Rheinland-Pfalz und dem nördlichen Baden-Württemberg.

Nach der Konsolidierung der Branche in den 1990er Jahren und dem Verkauf von „von der Linde“ und W. Kapferer kamen die inhabergeführten Pharmagroßhändler zuletzt auf einen Marktanteil von rund 10 Prozent. Etwas mehr als ein Drittel muss der 1984 gegründete Verbund Pharma Privat jetzt abgeben.

Umgekehrt kauft sich die Noweda Marktanteile und kommt damit auf geschätzte 22 Prozent. Phoenix liegt mit rund 28 Prozent vorn, hinter der Noweda folgen Gehe mit rund 16 Prozent sowie die Sanacorp mit 15 Prozent und Alliance mit rund 13 Prozent. Der Newcomer AEP spielt diesbezüglich noch keine allzu große Rolle.