OTC-Hersteller

Apotheken-Muster: Ratiopharm will vor den BGH Patrick Hollstein, 06.12.2016 15:19 Uhr

Berlin - 

Dürfen Hersteller auch Apotheken mit Gratismustern ausstatten oder nur Ärzte? Ratiopharm will auf diese Frage eine Antwort haben und zieht wieder einmal vor den Bundesgerichtshof (BGH). Im konkreten Fall geht es um die kostenlose Abgabe von Diclo-Ratiopharm „zu Demonstrationszwecken“.

Ratiopharm hatte sein neues Schmerzgel im Sommer 2013 überarbeitet. Das Vorgängerprodukt war nach Angaben des Herstellers wegen seines Geruchs und der Verteilbarkeit von Apotheken bemängelt worden. Deshalb sollte der Außendienst das neue Gel direkt vorstellen. Weil die Apotheker die Tube mit der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ behalten durften, mahnte der Voltaren-Hersteller Novartis den Konkurrenten ab.

Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) sah in der Aktion einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und bestätigte Ende 2014 eine vom Landgericht Hamburg (LG) verhängte einstweilige Verfügung. In der Hauptsache wurde der Fall in Frankfurt weiter verhandelt, doch auch hier stellten sich erst das LG und jetzt das OLG gegen Ratiopharm.

Im Arzneimittelgesetz (AMG) ist geregelt, dass Hersteller Muster an Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte abgeben dürfen. Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist der Bezugskreis erweitert um „andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde berufsmäßig ausüben“. Schließlich dürfen die Hersteller Muster an Ausbildungsstätten für die Heilberufe „in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang“ abgeben.

Laut aktuellem Urteil ist damit der Kreis an Personen, an die Muster von Fertigarzneimitteln abgegeben werden dürfen, abschließend definiert. Zwar sei an anderer Stelle geregelt, dass Arzneimittel üblicherweise über Apotheken in den Verkehr gebracht werden; dies bezieht sich laut OLG aber auf den Vertriebsweg und nicht auf die Überlassung von Mustern.

„Die Bestimmung dient dazu, aus Gründen der Arzneimittelsicherheit die Menge der Arzneimittelmuster auf das Notwendige zu begrenzen und überschaubar zu halten“, heißt es im Urteil. Allein um Ärzten die Möglichkeit zu eröffnen, durch die Weitergabe an Patienten Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln zu sammeln, sei die Abgabe von Mustern unter engen Voraussetzungen zugelassen. „Eine vergleichbare Interessenlage besteht bei Apothekern nicht, auch wenn es inzwischen häufiger als zum Entstehungszeitpunkt des AMG vorkommen mag, dass sich Patienten bei Schmerzen nicht vom Arzt, sondern allein vom Apotheker beraten lassen.“

Dass in einer entsprechenden EU-Richtlinie auch „zur Abgabe berechtigte Personen“ eingeschlossen sind, ändert laut OLG nichts. Denn auf nationaler Ebene dürften strengere Regeln erlassen werden. „Nach dem Leitbild des deutschen Arzneimittelrechts ist die Behandlung und Anwendung von Arzneimitteln den Ärzten vorbehalten.“

Ratiopharm hatte argumentiert, dass von der Vorschrift nur Produkte erfasst sind, die von vornherein für die kostenlose Weitergabe an Endkunden bestimmt sind, und dass die Abgabe von Proben an den Apotheker selbst unbedenklich ist. „Eine solche Differenzierung nimmt die Vorschrift nicht vor. Sie richtet sich nicht an Apotheker, sondern an pharmazeutische Unternehmen“, heißt es im Urteil. „Ihnen ist die Abgabe von Mustern allein an die dort aufgeführten Personen erlaubt.“

Unerheblich ist laut Gericht auch, dass die Packungen nicht als „unverkäufliches Muster“ gekennzeichnet, sondern mit der Aufschrift „Zu Demonstrationszwecken“ versehen waren. Laut Ratiopharm sollte das Produkt weder an Patienten getestet noch für persönliche Zwecke genutzt werden; vielmehr gehe um die „eigene berufliche Verwendung“, argumentierte der Hersteller. „Für diese feinsinnige Unterscheidung ist nach dem Gesetzeszweck kein Raum. Die abgegebenen Produkte dienen jedenfalls der Erprobung“, so die Richter.

Ratiopharm hatte noch den Versuch unternommen, die Packungen nicht als Muster, sondern als Proben zu bewerten. Laut OLG sind Proben aber in der Regel kleiner als die kleinste für den Verkehr zugelassene Packungsgröße. Im Streitfall wurden unstreitig Tuben in Originalgröße abgegeben.

Nicht maßgeblich war laut Gericht auch, ob nur geöffnete oder auch ungeöffnete Packungen abgegeben werden sollten und ob pro Apotheker nur ein Stück oder mehrere abgegeben wurden.

Ratiopharm will nun vor den BGH: „Wir haben bereits Revision eingelegt. Unser Ziel ist es, eine höchstrichterliche Entscheidung herbeizuführen, die zu Rechtssicherheit für Apotheker und Hersteller bei der Abgabe von Arzneimitteln zu Demozwecken führt“, sagt ein Sprecher.

Grundsätzlich gilt: Muster dürfen keine Betäubungsmittel sein oder Präparate, die nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen. Außerdem dürfen Muster nur in der kleinsten Packungsgröße und nur auf schriftliche Anforderung abgegeben werden. Pro Jahr dürfen von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgegeben werden. Mit den Mustern ist die Fachinformation zu übersenden. „Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.“