Medikationskarte

Ordermed: Hersteller finanzieren Medikationscheck Julia Pradel, 03.06.2014 09:30 Uhr

Gelder von der Industrie: Markus Bönig will Apotheken für Medikationsanalyse bezahlen. Foto: Ordermed
Berlin - 

Modelle zum Medikationsmanagement sind en vogue. Auch Ordermed-Chef Markus Bönig hat ein Konzept entwickelt und bewirbt seine „elektronische Medikationskarte“ (eMK). Die Apotheker lockt er mit einer Beratungspauschale – finanziert von der Industrie. Doch damit Apotheker tatsächlich an dem Modell verdienen, müssen sie die Karte an mindestens 500 Kunden bringen.

Hinter dem Projekt „Apothekenzentriertes Versorgungsmodell“ (AZV) steht der Verein „Initiative sichere Medikamentenverwendung“ (IsMeV), dem Bönig vorsitzt. Mit dabei ist auch Michael Grintz, Chef der Münchener Bienen-Apotheken. Die Medikationskarte läuft über den Verein, nicht über das Bestellportal Ordermed.

Mithilfe der Kartennummer und einem aufgedruckten Code kann ein Online-Medikationscenter eingesehen werden. Dort hinterlegen der Patient und seine ausgewählte Stammapotheke eine Liste aller Arzneimittel, die eingenommen werden. Lesen kann die Daten aber jeder, der Nummer und Code hat.

Die Medikationskarte soll nun unter die Leute gebracht werden. Die Apotheker erhalten für eine 20-minütige Medikationsanalyse 20 Euro pro Patient und Jahr – sofern sie mindestens 2000 Patienten anmelden. Ab 1000 Patienten können 15 Euro abgerechnet werden, und ab 500 Patienten noch 10 Euro. Wer weniger Patienten überzeugt, geht leer aus. Durch dieses Finanzierungsmodell will Bönig die Apotheker motivieren: „Wir wollen keine Apotheken, die zehn Patienten halbfertig mitbringen.“

Finanziert werden soll die Pauschale von der Industrie: Für jedes abgegebene Medikament zahlen die Hersteller eine mit IsMeV individuell verhandelte Summe an den Verein. Im Gegenzug erfahren sie genau, in wie vielen Apotheken und an wie viele Patienten ihre Produkte verkauft wurden. Ein entsprechendes Dokument – ähnlich einer Excel-Tabelle – wird automatisch erstellt. Die Daten sind laut Bönig so regional zusammengefasst, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Apotheken oder Kunden möglich seien.

Die Zahl der teilnehmenden Hersteller will Bönig noch nicht verraten. Für den Anfang hat er aber nach eigenen Angaben bereits einen einstelligen Millionenbetrag bei der Industrie eingetrieben.

Damit die Apotheker die Vergütung abrechnen können, müssen die Patienten ihre elektronische Medikationskarte aktivieren sowie einen Medikationsplan mit mindestens zwei Arzneimitteln hinterlegen. Die Apotheke muss wenigstens einmal im Jahr einen Wechselwirkungscheck mit der Software von Ordermed durchführen, und Patienten an Folgeverordnungen erinnern. Auch die Mitgliedschaft für die Apotheker bei Ordermed ist obligatorisch.

Für das Projekt selbst können sich Apotheker ohne Gebühren registrieren, allerdings kostet die Mitgliedschaft bei Ordermed 53 Euro pro Monat. Außerdem werden 35 bis 50 Cent für jede Arzneimittel-Bestellung fällig, die ein Kunde über das Bestellportal Ordermed auslöst. Für die Medikationskarten zahlen die Apotheker rund 50 Cent pro Stück, die Mindestauflage ist 1000 Stück.

Die Patienten zahlen für die Karte 20 Euro pro Jahr – wenn sie diese selbst online bestellen. In den Apotheken erhalten sie die Medikationskarte kostenlos. Bönig empfiehlt den Apotheken, dem Kunden einen 20-Euro-Gutschein auszustellen, sobald dieser die Karte aktiviert – von Ordermed erhält der Apotheker eine Gutschrift in Höhe von 10 Euro.

Wer seine Medikationskarte im Internet kauft, kann eine Wunschapotheke für den Arzneimittelcheck gleich online auswählen. Diese erhält dann im Namen des Kunden ein Fax mit der Medikation und der Aufforderung, diese zu überprüfen. Weil der Kunden in diesem Fall schon 20 Euro bezahlt hat, muss die Apotheke die Beratung kostenlos erbringen oder den Check ablehnen. Um selbst Geld zu sehen, müsste sich der Apotheker bei Ordermed einschreiben.

„Wir zwingen den Apotheker zu seinem Glück. Das halte ich aber für vertretbar“, sagt Bönig. Er ist überzeugt, dass sich in vielen Apotheken nur etwas ändert, wenn der Kunde oder der Arzt etwas einfordert. Und: „Wir fordern nichts, wozu der Apotheker nicht eh verpflichtet wäre.“

Laut Bönig sind derzeit 807 Apotheken an Ordermed beteiligt. Das Projekt wurde im ersten Halbjahr in den 24 Bienen-Apotheken im Raum München erprobt, rund 2500 Patienten waren laut Bönig beteiligt, also rechnerisch etwas mehr als 100 pro Apotheke.

Dem Ordermed-Chef zufolge sind 500 Patienten dennoch eine „leistbare Hürde“: Eine Durchschnittsapotheke habe zwischen 4000 und 5000 Kunden, und jeder Vierte sei chronisch krank. Im Rahmen des Pilotprojekts seien allerdings einzelne Patienten herausgegriffen worden, um den Mechanismus zu erproben.