Registrierkassengesetz

Noventi schürt Angst vor Steuerprüfung Lothar Klein, 06.07.2020 14:39 Uhr

TSE: Jeder Griff in die Kasse muss manipulationssicher aufgezeichnet werden. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Ab 1. Oktober müssen alle Kassensysteme der Apotheken mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein. Das sieht die Übergangsvorschrift zum Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vor. Die Zeit drängt. Zuletzt erhielten Apotheker Post von Noventi mit einem TSE-Komplettservie-Angebot. Darin schürte Noventi die Angst vor einer Prüfung durch das Finanzamt. Dies sieht das Registrierkassengesetz als Strafe aber gar nicht vor. Stattdessen drohen Bußgelder bis zu 25.000 Euro für Apotheken, die keine TSE installieren lassen.

„Bis spätestens 30.09.2020 müssen Kassensysteme in Apotheken zwingend über eine zertifizierte Technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen“, stand im Noventi-Brief in alarmroter Farbe gedruckt zu lesen. Dies setze „Handeln Ihrereseits“ voraus: Jede Apotheke müsse die TSE am 1. Oktober im Einsatz haben. „Hierfür liegt die Verantwortung bei dem Inhaber“, daher sei nun Eile geboten. Und wieder in Alarmrot gedruckt: „Bitte beachten Sie, dass bei einer Prüfung Ihrer Buchhaltung durch das Finanzamt – auch in 5 bis 10 Jahren – eine Verwerfung der Buchhaltung aufgrund der fehlenden TSE erfolgen und der Prüfer eine Zuschätzung vornehmen kann. Dies kann rückwirkend ab dem 01.10.2020 erfolgen.“

Nun sind Zuschätzungen von Finanzämtern so etwas wie der GAU jeder Steuerprüfung. Die Angst ist also berechtigt. Allerdings gibt es keinen Automatismus, dass eine fehlende oder fehlerhafte TSE eine Steuerprüfung nach sich zieht. Denn das Registrierkassengesetz sieht zunächst lediglich Bußgelder vor: 25.000 Euro für fehlende oder nicht richtig aufzeichnende TSE-Systeme. Für eine Steuerprüfung muss nach Ansicht von Steuerberatern zusätzlich der Verdacht der Steuerhinterziehung gegeben sein.

Klar ist aber, dass die Zeit drängt. Denn das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte zuletzt im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Corona-Steuerhilfegesetz eine Fristverlängerung für die TSE-Installation abgelehnt. Allerdings hatte das BMF auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC Ausnahmen in Aussicht gestellt: „In Einzelfällen können Steuerpflichtige bei der zuständigen Finanzbehörde einen Antrag auf eine über den 30. September 2020 hinausgehende Befreiung von der Pflicht zum Einsatz einer TSE stellen.“

Ursprünglich sollte die TSE bereits zu Jahresbeginn flächendeckend eingeführt sein. Dann wurde die Frist auf Ende September verlängert. „Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016 ist ein wichtiger Schritt, um Veränderungen oder Löschungen von digitalen Grundaufzeichnungen zu verhindern und damit die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu sichern“, teilte jetzt das BMF mit. Vergleichbare Sicherheitseinrichtung hätten sich in vielen Staaten als bewährtes Mittel erwiesen, um Steuerhinterziehung effektiv zu bekämpfen, die letztlich allen schade und vor allem steuerehrliche Einzelhändler benachteilige. Um die Kosten und den Aufwand für alle Beteiligten gering zu halten, seien bereits so weit wie möglich Erleichterungen bei der Umsetzung der Regelung geschaffen worden. Beispielsweise könnten mehrere Kassen an eine TSE angebunden oder bereits benutzte TSE können an andere Anwender weitergeben beziehungsweise verkauft werden, so das BMF.

„Wir gehen davon aus, dass bis Ende September 2020 ausreichende Zertifizierungen abgeschlossen sein werden, damit eine flächendeckende Aufrüstung der elektronischen Aufzeichnungssysteme möglich ist“, so die Antwort des BMF weiter. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) habe die ersten technischen Sicherheitseinrichtungen für elektronische Aufzeichnungssysteme im Dezember 2019 zertifiziert; eine weitere zuletzt im April 2020. „Vor diesem Hintergrund sehen wir keine Notwendigkeit für eine generelle Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung über den 30. September 2020 hinaus.“

Um Ausnahmen zu erreichen, müsse der Kasseninhaber die Gründe für die fehlende Aufrüstung der elektronischen Aufzeichnungssysteme und einen Härtefall im Sinne des § 148 AO darlegen und durch entsprechende Nachweise belegen, so das BMF. Unter Härte sei eine „sachliche oder persönliche Härte“ zu verstehen. Diese könne „nicht allein in der Pflicht zur Befolgung des Gesetzes bestehen“. Die entstehenden Kosten selbst stellen für sich allein keine sachliche oder persönliche Härte im Sinne dar. Aber: „Im Einzelfall können sie allenfalls in Kombination mit weiteren Umständen Berücksichtigung finden.“ Ob damit auf die Folgen der Corona-Krise gemeint sein können, ließ das BMF offen.

Ende 2016 hatte die Bundesregierung ein Registrierkassen-Gesetz verabschiedet, dass zuvor festgestellten Manipulationen an Kassensystemen ein Ende setzen sollte. Die neuen Regelungen, die für den Einzelhandel und die Gastronomie gelten, werden allerdings erst nach und nach wirksam und spürbar. 2018 eingeführt wurde bereits die Kassennachschau. Diese ermöglicht Finanzämtern unangemeldete Besuche in Apotheken zur Kontrolle der Kassen und der Kassenbücher. Bei Auffälligkeiten kann dann eine Betriebsprüfung erfolgen.

Die neuen zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtungen TSE sollen unter anderem nachträgliche Löschung von Umsätzen unmöglich machen. Die technischen Anforderungen definiert und zertifiziert das BSI. Die Hersteller von Kassensystemen beziehungsweise die Softwarehäuser der Apotheken müssen dazu beim BSI entsprechende Anträge stellen und die TSE-Einbindung ins Warenwirtschaftssystem vornehmen. Die Apotheke muss dann ihrerseits dem Finanzamt bestätigen, dass das System vorhanden ist. Dass sollte eigentlich bis zum 31. Januar 2020 erfolgen. Offenbar liegen aktuell aber nur wenige Anträge der Softwarehäuser beim BSI vor.

Ältere, nicht nachrüstbare Registrierkassen dürfen zudem bis Ende 2022 weiter betrieben werden. Neu angeschaffte Geräte müssen demnach von 2020 an über eine manipulationssichere technische Sicherheitseinrichtung verfügen, die mit dem ersten Tastendruck alle Eingaben in das System unveränderlich und verschlüsselt erfasst. Laut Schätzungen der Bundesregierung führen Manipulationen mit elektronischen Kassensystemen und Zappern zu Steuerausfällen von zehn Milliarden Euro. Deshalb hatte der Bundesrechnungshof über zehn Jahre lang Maßnahmen angemahnt, um Steuerbetrug mit Mogelkassen in Läden oder Kneipen einen Riegel vorzuschieben. Nach mehr als zwei Jahren konnten sich Bund und Länder 2016 auf ein Gesetz einigen.