Abmahnungen

Kein Lockspitzel für Apotheken Carolin Bauer, 12.08.2015 08:21 Uhr

Berlin - 

Testkäufer in die Offizin zu schicken ist grundsätzlich erlaubt. Wer allerdings übertreibt und Rechtsverstöße provoziert, kann selbst in Erklärungsnot geraten. Veniapharm ist in mehreren Fällen wegen des Produkts „Orthoexpert ProMan-boost“ gegen Apotheken vorgegangen. Das Landgericht Osnabrück (LG) hatte eine Klage der Firma aus Grünwald gegen eine Versandapotheke wegen Rechtsmissbrauchs zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) hat in einem Hinweisbeschluss erklärt, dass es den Sachverhalt genauso sieht. Die Richter raten der Firma, ihre Berufung zurückzunehmen.

Veniapharm hatte die Versandapotheke Apondo (Bad Apotheke, Rothenfelde) im Februar wegen „ProMan-boost“ von Weber & Weber abgemahnt. Zwar gab Apondo eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, erkannte aber die Rechtspflicht nicht an und wollte auch die Abmahnkosten für die Kanzlei Beyerlein aus Mannheim nicht zahlen. Der Streit um den Betrag von rund 1000 Euro ging vor das LG, das die Klage zurückwies. Ein Grund: Veniapharm sei es hauptsächlich um die Abmahngebühren gegangen.

Die Oldenburger Richter gaben der Vorinstanz jetzt Recht: Veniapharm stehe kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu, weil die Abmahnung rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Die Entscheidung des LG sei richtig und vollständig. Rechtsfehler, die sich nachteilig auf die Firma ausgewirkt hätten, gebe es nicht.

Veniapharm sei es nicht gelungen, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu widerlegen. „Es spricht eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein vorherrschendes Kostenbelastungsinteresse“, heißt es in dem Beschluss.

Apondo hatte darauf verwiesen, Veniapharm schicke Massenabmahnungen an Hersteller und Händler. Im Sommer 2013, kurz nach der Gründung der Firma im Mai, habe Veniapharm innerhalb weniger Tage 31 Unternehmen auf Handelsebene abgemahnt. Die Anwälte des Herstellers wüssten sogar von 70 Abmahnungen.

Auch gegenüber Weber & Weber seien bis Februar zwei Dutzend Abmahnungen erfolgt. Außerdem warf Apondo Veniapharm vor, eine Briefkastenfirma zu unterhalten und nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die Rechtsverstöße von Apotheken provozieren sollten. Das OLG sah in dem Einsatz von Testkäufern einen „gewichtigen Umstand“ für einen Rechtsmissbrauch.

Testkäufe sind laut OLG grundsätzlich zulässig. Die Grenze sei allerdings überschritten, wenn „keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine begangene oder bevorstehende Verletzung vorliegen, der Tester vielmehr lediglich die Absicht verfolgt oder als Werkzeug in diesem Sinne eingesetzt wird, einen Mitbewerber 'hereinzulegen'“, so die Richter. „Die Apotheken, die das Produkt nicht vorrätig hielten, wurden zu einem Wettbewerbsverstoß veranlasst.“ Dieser Vorgang sei unlauter. Auch die hohe Anzahl der Abmahnungen spreche insgesamt für sachfremde Motive wie eine auf die Gebühren gerichtete Abmahntätigkeit.

Laut Beschluss hat Veniapharm außerdem keine dezidierten Angaben zur eigenen finanziellen Situation gemacht. Die vorgelegten Bilanzen seien ungeeignet, die Aussagen zu stützen, da sich daraus keine brauchbaren Tatsachen ableiten ließen. Deshalb könne nicht festgestellt werden, dass der Umfang der Abmahnungen in einem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit und dem Geschäftsumfang stehe. „Das ist ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Abmahntätigkeit“, so die Richter.

Das Gericht beabsichtigt laut eigenen Angaben, die Berufung durch einen einstimmigen und nicht anfechtbaren Beschluss zurückzuweisen. Neue Erkenntnisse seien in einer mündlichen Verhandlung nicht zu erwarten. Veniapharm hat noch eine Woche Zeit, auf die Entscheidung zu reagieren. Die Richter legen dem Hersteller nahe, die Berufung im Kosteninteresse zurückzunehmen. Veniapharm-Geschäftsfüher Lutz Kortmann wollte sich zum laufenden Verfahren nicht äußern.

Die Firma hatte bei dem Nahrungsergänzungsmittel von Weber & Weber unter anderem Angaben zum Effekt von Zink und den Süßstoffen moniert. Da das Produkt die Tagesdosis von 2 Gramm L-Arginin enthalte, sei es darüber hinaus nicht verkehrsfähig, so Veniapharm.