Positionspapier

MVDA: Corona-Tests in Apotheken APOTHEKE ADHOC, 02.07.2020 14:53 Uhr

Corona-Lehren: Der MVDA wendet sich mit einem Positionspapier an die Politik. Foto: MVDA
Berlin - 

Der Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) meldet sich mit dem Positionspapier „Lessons learned aus der Corona-Krise: Anregungen der Apotheken vor Ort“ zu Wort. Darin fordert der MVDA mehr Verantwortung für die Apotheken, die in der Corona-Krise ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hätten. Unter anderem schlägt der MVDA vor, in Apotheken Corona-Tests durchzuführen. Zudem fordert der MVDA das Botendiensthonorar zu entfristen und einen finanziellen Rettungsschirm über die Apotheken aufzuspannen.

Im Vergleich zu seinen europäischen Nachbar- und Partnerländern sei Deutschland bislang vergleichsweise glimpflich aus der Corona-Krise hervorgegangen. Dafür seien nicht zuletzt die Leistungen der Apotheker weit über das normale Maß der vorgegebenen Öffnungs- und Notdienstzeiten verantwortlich. Neben der üblichen und natürlich stark gestiegenen Beratungsleistung für ihre Kundinnen und Kunden hätten sich die Apotheken vor Ort vor allem für die Versorgung „ihrer“ Heime und Senioreneinrichtungen mit Desinfektionsmitteln aus eigener Herstellung und mit der Beschaffung von Masken und Schutzkleidung stark gemacht. Auch die Belieferung der weitgehend von der Außenwelt abgeschnittenen älteren Bürger – ob im Heim oder zu Hause – mit Arzneimitteln und Medizinprodukten des täglichen Bedarfs wäre ohne den engagierten Einsatz der tragfähigen lokalen oder regionalen pharmazeutischen Netzwerke nicht möglich gewesen, so der MVDA.

Neben der täglichen Präsenz in der Offizin hätten sich die Leistungen der Apotheker vor allem in der persönlichen Betreuung und Versorgung von Patienten in ihrer häuslichen Umgebung – sei es im Heim oder in den eigenen vier Wänden – bewährt. Dieser räumlichen Überbrückung der viel zitierten „letzten Meile“ werde vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Bevölkerung eine wachsende Bedeutung zukommen, und die Corona-Krise hat gezeigt, dass diese Versorgungsherausforderungen nicht mit bloßem Versand abgedeckt werden könne. „Der Botendienst gehört seit Jahren zu den defizitären Leistungsangeboten der Vor-Ort-Apotheken, doch demografischer Wandel und abnehmende Apothekendichte verschärfen die Notwendigkeit für ein solches Versorgungsangebot, so dass es unabdingbar ist, den Botendienst zukünftig als „kostendeckend gegenfinanzierten festen Bestandteil des Arzneimittelversorgungssystems zu etablieren“.

Auch Angebote zur Telepharmazie würden vom MVDA und seinen Mitgliedern grundsätzlich begrüßt. Pharmakologische Beratung und Betreuung sei bei persönlicher Kenntnis der Rahmensituation über einen begrenzten Zeitraum auch über digitale Medien möglich. Mehr noch: Unter den epidemiologisch gebotenen Maßgaben der sozialen Distanz gewährleistet das niederschwellige und dichte Netz an Vor-Ort-Apotheken in Deutschland den ersten individuellen und persönlichen Kontakt der Bürger zum Gesundheitssystem. Auf diese Potentiale könnte beispielsweise im Bereich der Früherkennung und des vormedizinischen Monitorings bei der Überwachung von Köperwerten zukünftig auch in Online-Formaten zurückgegriffen werden, um die Belastungen des Gesundheitssystems insgesamt auf mehr Schultern zu verteilen. „In diesem Zusammenhang regen wir dringend die Erstellung eines verbindlichen Aufgaben- und Honorierungskataloges für telepharmazeutische Leistungen an, die beim individuellen und lokalen Behandlungsumfeld des Patienten ansetzen und dieses berücksichtigen können“, so der MVDA weiter.

Eine entscheidende Rolle für die zukünftige Beherrschung der Corona-Pandemie werde besonders ab Herbst 2020 angesichts einer möglichen zweiten Welle einer flächendeckenden Testung auf SARSCoV2 zukommen. „Den Apothekern vor Ort könnte und sollte hier in Zusammenarbeit mit den regionalen Gesundheitsämtern eine herausgehobene Rolle zufallen“, schlägt der MVDA vor. Bei einer lückenlosen Testung könne das engmaschige Netz der Vor-Ort-Apotheken in Deutschland einen unschätzbaren Beitrag leisten, um das tatsächliche Infektionsgeschehen kleinräumig zu monitoren, die aktuellen Strukturen weiter zu entlasten und die jeweiligen Testergebnisse unmittelbar in die Datenkanäle der Telematikinfrastruktur einzuspeisen. Eine wichtige Aufgabe zur Entlastung der Systemstrukturen könnte den Apothekern laut MVDA darüber hinaus im Bereich der Impfungen zufallen. Gerade wenn im Herbst dieses Jahres möglicherweise eine zweite Welle der Corona-Pandemie mit der saisonalen Grippe-Welle zusammentreffe, könne im „einfachen“ Impfgeschehen bei Grippe über eine System-Entlastung durch Apotheker nachgedacht werden.

Die Corona-Krise habe außerdem gezeigt, dass in Apotheken eine Sicherheitsreserve an Schutzkleidung vorgehalten werden sollte. Damit könnten und sollten im Ernstfall nicht nur die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versorgt werden. Die Apotheke vor Ort sei auch der ideale Partner, um zumindest in einer ersten Notsituation systemrelevante Berufsgruppen in nahegelegenen Praxen, in der ambulanten und stationären Pflege und in weiteren relevanten Versorgungsbereichen mit einer ersten Grundausstattung von Atemschutzmasken und Einmal-Kitteln zu versorgen. Viele Apotheken vor Ort hätten in der ersten Krisensituation darüber hinaus „ihre“ Heime und Praxen mit einer Schnellbelieferung selbst hergestellter Desinfektionsmittel versorgt. Nicht nachvollziehbar sei vor diesem Hintergrund, dass der Gesetzgeber bislang nur eine befristete Sondererlaubnis für eine solche Herstellung erteilt habe.

Trotz der genannten systemrelevanten Funktionen liege das unternehmerische Risiko im Krisenfall bislang vollständig bei den Apotheken. Dies betreffe nicht nur die genannten tatsächlichen und potenziellen Mehrleistungen, sondern vor allem auch die zum Teil dramatischen Umsatzrückgänge in der Offizin aufgrund des durch Ausgangssperren fehlenden Publikumsverkehrs – hier vor allem in dann strukturell benachteiligten Standorten beispielsweise in Einkaufszentren, Flughäfen und Bahnhöfen mit erfahrungsgemäß besonders hohen Fixkosten. Ähnlich wie in zahlreichen anderen Branchen und Berufsgruppen müsse für diesen Rückgang des üblichen Umsatzes ein unbürokratischer Rettungsschirm bereitgestellt werden, der überhaupt erst Grundlage dafür sein könne, dass die Apotheke vor Ort ihre zahlreichen flankierenden und grundsichernden Aufgaben und Funktionen im Krisenfall erfüllen könnten.