Pilotprojekt in Baden-Württemberg

Kaufland-Arztkabine: Hausärzte nicht abgeneigt 14.11.2025 10:50 Uhr

Berlin - 

Zwischen Käsetheke, Bäckerei, Pfandautomat und Kassenzone versucht man im nordwürttembergischen Mosbach die Antwort auf den großen Hausarztmangel auf dem Land zu finden. Im Kaufland-Center kann der Arzt direkt um Rat gefragt werden – ein bundesweites Novum bislang, wie die die Schwarz-Gruppe und Partner Sana versichern. Telemedizin in der Vorkassenzone? Warum nicht, sagen sie. Der Bedarf sei groß. Auch die Ärzteschaft zeigt sich vorsichtig optimistisch.

Mosbach sei ein Paradebeispiel, wenn es um Ärztemangel geht. Wer hier und auch in vielen anderen Regionen des Landes einen Termin beim Haus- oder Facharzt sucht, der muss oft lang warten. Allein in Baden-Württemberg fehlen rund 1000 Hausärztinnen und -ärzte, zwei von drei praktizierenden Hausärzt:innen sind nach Angaben des Branchenverbands über 60 Jahre alt und suchen oft händeringend nach Nachfolger:innen. Bundesweit sind nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung schon heute mehr als 5000 Hausarztsitze unbesetzt – und die Zahl steigt rasant. So werden die Wartezeiten für einen Termin immer länger, überlastete Praxen nehmen gar keine neuen Patient:innen mehr auf.

Im Mosbacher „S Medical Room“ wird in der Regel über das Smartphone eingecheckt, danach können sich Patient:innen in einem kleinen schalldichten Raum per Video mit dem Arzt unterhalten und auch Rezepte bekommen. Ein:e medizinische:r Fachangestellte (MFA) betreut die gesetzlich und privat Versicherten vor Ort, sie messen den Blutdruck oder kleine Check-ups. Geplant werden sollte der Termin vor dem Einkauf – Platz für den vollen Einkaufswagen gibt es nämlich nicht.

Kein Rx für Neupatienten

„Voraussetzung ist, dass die Beschwerden telemedizinisch beurteilt werden können“, betont Jonas Ehmig, der Co-Geschäftsführer des Medical Rooms. Husten gehöre dazu, Schnupfen und Heiserkeit, Krankheiten also, bei denen der Arzt nur einmal checken sollte, um ein rezeptfreies Medikament zu empfehlen. „Neupatienten erhalten hingegen zum Beispiel keine Medikamente gegen hohen Blutdruck und kein Antibiotikum gegen einen starken Infekt“, sagt Ehmig. „Dafür braucht es den direkten Kontakt.“ Auch diesen könne das Mosbacher Angebot nach einer ersten Einschätzung herstellen.

„Wenn der Pilot erfolgreich wird, sind wir offen dafür, das Konzept bundesweit an weiteren Standorten zu integrieren“, sagt René Wolf, der Leiter Vermietung bei Kaufland. Kaufland vermietet Fläche für die Arztkabine. Der S Medical Room in Mosbach gilt dabei als Außenstelle des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), das von Sana an der Schwarz-Zentrale in Neckarsulm ins Leben gerufen wurde. Hier werden seit Anfang des Jahres die Mitarbeitenden hausärztlich und arbeitsmedizinisch betreut. Schwarz stelle hierfür dem Praxisbetreiber die nötige Medizintechnik zur Verfügung. Für Studierende auf dem Dieter-Schwarz-Campus in Heilbronn gebe es bereits ebenfalls ein von hier gesteuertes telemedizinisches Angebot.

Hausärzte vorsichtig optimistisch

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband Baden-Württemberg sieht in dem Mosbacher Projekt eine sinnvolle Ergänzung für Regionen, in denen die medizinische Versorgung dünner wird. So könnten Menschen dort leichter ärztliche Hilfe bekommen. Allerdings schränkt die Landesvorsitzende Dr. Susanne Bublitz, Hausärztin in Pfedelbach (Hohenlohekreis), auch etwas ein. Neue Angebote müssten unbedingt an die Hausarztpraxen angebunden sein, sagt sie.

„Gute Versorgung gelingt immer dann, wenn sie kontinuierlich ist“, ergänzt Bublitz. „Das heißt, wenn in der Hausarztpraxis alle Fäden zusammenlaufen und die Versorgung koordiniert wird. Zusätzliche Anlaufstellen allein führen nicht zu einer besseren Versorgung.“

Arbeite ein Angebot wie in Mosbach mit einem Versorgungszentrum oder einer Praxis in der Umgebung zusammen, könne das vor allem älteren Menschen helfen, selbstständig zu bleiben – und den Zugang zur medizinischen Versorgung spürbar erleichtern.

Leistungen des Kaufland-Angebotes

Gebucht werden können online vorab eine digitale Hausarztsprechstunde mit 15 Minuten als Kassenleistung sowie ein „Lifestyle Check-up“ mit 40 Minuten und ein InBody-Scan mit 10 Minuten, bei dem die vor Ort anwesende medizinische Fachangestellte (MFA) vor Ort die Körperzusammensetzung von Muskeln, Fett und Wasser bestimmt – beides jeweils als Selbstzahlerleistungen. Für die Hausarztsprechstunde kann unter fünf verschiedenen Ärzt:innen ausgewählt werden.

Laut Sana-Sprecher will man in Mosbach mit dem Testlauf nun erst einmal Erfahrungen sammeln. „Das ist was Neues, das muss man sich anschauen, wie es von den Menschen angenommen wird.“ Details zu weiteren Projekten gibt es daher vorerst nicht. Eine Kooperation mit einer Apotheke gibt es nicht – auch nicht mit der im Center vor Ort. E-Rezepte könnten aber natürlich vom telemedizinisch Behandelnden ausgestellt und anschließend direkt vor Ort eingelöst werden.

Medivise stellt Arztkabine

Im Rahmen der diesjährigen DMEA im April hatte Medivise eine solche Arztkabine vorgestellt. „Medivise ist eine Lösung für ländliche Regionen, wo Engpässe in der Infrastruktur bestehen und teilweise auch kein Arzt mehr da ist. Im Prinzip ist Medivise eine ‚Gesundheitsbox‘, in der sich der Patient rund um die Uhr mit dem telemedizinisch behandelnden Arzt unterhalten kann“, so Geschäftsführer Dr. Sven Jansen im Frühjahr im Interview.