Selektivvertrag

Hersteller darf Preisvergleich nicht verbieten Alexander Müller, 31.08.2018 10:19 Uhr

Berlin - 

Zu Selektivverträgen der Hersteller haben Apotheker ein gespaltenes Verhältnis. Einerseits ist es ein positives Signal, wenn die Firmen auf die Kompetenz in der Offizin achten und die Abwanderung ihrer Produkte in den Mass Market möglichst unterbinden wollen. Andererseits übertreiben es Hersteller auch immer wieder mit Vorgaben in den Verträgen. Dass nicht jede Beschränkung zulässig ist, zeigt ein Beispiel aus einer anderen Branche.

In den meisten Bundesländern hat das neue Schuljahr schon begonnen oder der erste Schultag steht demnächst an. Händler von Schulranzen haben Hochsaison. Und wie in jeder Branche gibt es Markenhersteller und Billiganbieter. Und wie bei Apothekenkosmetik gibt es bei Schulranzen Selektivverträge. Ein Hersteller wollte die Händler damit besonders eng an die Leine nehmen. Zu eng, fand die Wettbewerbszentrale und verklagte das Unternehmen.

Mit dem selektiven Vertriebssystem sollte den Händlern vertraglich verboten werden, „reißerische“ oder „marktschreierische“ Aussagen in der Bewerbung zu benutzen. Und die Definition war bei dem Hersteller eher eng gefasst: „Hierunter fallen insbesondere eine Gegenüberstellung von durchgestrichenen UVP und Verkaufspreisen oder Werbeaussagen, die den unzutreffenden Eindruck erwecken, die Vertragsprodukte würden zu Schleuderpreisen (Schnäppchenpreisen, Sparpreisen etc.) angeboten.“

Die Wettbewerbszentrale setzte sich mit ihrer Klage vor dem Landgericht Köln durch. Aus Sicht der Richter verstößt die Bestimmung gegen das Transparenzverbot und ist damit unwirksam. Begriffe wir „reißerisch“, „marktschreierisch“ oder „Schleuderpreise“ seien zu unbestimmt. Vor allem sei eine durchgestrichene unverbindliche Preisempfehlung (UVP) gerade eher nicht als reißerisch zu bewerten, so die Richter. Und Sparpreise seien bei unbefangener Betrachtung wohl nicht mit Schleuderpreisen gleichzusetzen.

Die Richter hatten auch nach der mündlichen Verhandlung den Verdacht, dass der Hersteller einen Preiswettbewerb offenbar insgesamt ausschließen wollte. Es bleibe die Frage, heißt es in der Urteilsbegründung, „wie ihr Vertragspartner überhaupt noch ein von ihm preisermäßigt angebotenes Produkt der Beklagten bewerben soll“.

Eine weitere Klausel im Selektivvertrag, die vom Gericht gekippt wurde, war das Kombinationsverbot. Die Händler sollten den Marken-Tornister nicht zusammen mit „Fremdprodukten“ anderer Hersteller als Paket verkaufen. Das hochwertige Produkt sollte nicht entwertet werden, indem Händler den Ranzen etwa mit billigen Schulutensilien befüllen und das Ganze als Paket anbieten würden. Die Entsprechung in der Apotheke wäre etwa ein Weihnachtsangebot mit verschiedenen Kosmetika.

Die Richter können das Ansinnen des Herstellers zwar nachvollziehen, trotzdem würden die Händler mit dem allgemeinen Verbot unangemessen benachteiligt, heißt es im Urteil. Das Interesse der Händler, „Durch die Zugabe günstiger Fremdprodukte einen Anreiz zum Kauf eines höherpreisigen Produkts der Beklagten zu geben, ist ohne weiteres nachvollziehbar“, so die Entscheidung.

Die Wettbewerbszentrale hatte zudem eine Klausel zur Verlängerung der Lieferzeit mit Erfolg angegriffen. Laut Vertrag sollte sich die Lieferzeit automatisch verlängern, wenn sie sich „infolge höherer Gewalt oder anderer, bei Vertragsschluss nicht vorhersehbarer Ereignisse“ verzögern sollte. Zwar würde der Hersteller die Händler über die voraussichtliche Dauer des Lieferhindernisses informieren, zum Rücktritt berechtigt war laut Vertrag aber nur die Firma, nicht der Händler.

Aus Sicht des Landgerichts Köln widerspricht eine solche ungewisse Verlängerung der Lieferzeit dem Bestimmtheitsgebot. Zudem würden die Händler in ihrem Rücktrittsrecht beschnitten. Unangemessen war daran auch, dass nur der Hersteller ein vertragliches Rücktrittsrecht haben sollte, nicht aber der Händler. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Das Verfahren hat aus Sicht der Wettbewerbszentrale grundsätzliche Bedeutung – und zwar losgelöst von einer Branche. „Auf der einen Seite steht der Hersteller, der ein anerkennenswertes Interesse daran hat, dass seine Marke nicht verramscht wird, auf der anderen Seite der Händler, dessen Werbefreiheit nur im rechtlich zulässigen und zumutbaren Rahmen beschränkt werden darf“, so Rechtsanwältin Elvira Schad.

Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale ist es eine grundsätzliche Rechtsfrage, inwieweit Hersteller ihren Vertragshändlern bestimmte Werbe- und Preisgestaltungsformen als reißerisch und marktschreierisch verbieten dürfen. Bei der Preisgegenüberstellung handele es sich um eine gängige Preiswerbemethode, so Schad.