Gesundheitsaussagen

Phytohersteller klagen gegen EU-Kommission Carolin Bauer, 15.09.2015 09:06 Uhr

Berlin - 

Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln ist EU-weit streng geregelt. 222 „Health Claims“ sind zugelassen. Angaben zu pflanzlichen Inhaltsstoffen etwa bei Nahrungsergänzungsmitteln wurden von der EU-Kommission bislang jedoch ausgespart. Die Phytohersteller Bionorica und Dr. Willmar Schwabe sowie der Zulassungsdienstleister Diapharm haben die Kommission vor das Gericht der Europäischen Union (EuG) gebracht.

Hersteller von Arzneimitteln müssen bei der Zulassung strenge Auflagen erfüllen und die Wirksamkeit ihrer Präparate nachweisen. Da dieselben pflanzlichen Inhaltsstoffe mitunter auch in Lebensmitteln auftauchen, kommt es auf die Kraft der Wirkversprechen an. Solange die Kommission untätig ist, kann auch die Konkurrenz aus dem Mass Market alle möglichen gesundheitsbezogenen Aussagen treffen. Die Unternehmen aus der Apotheke fühlen sich im Wettbewerb benachteiligt.

Die Brüsseler Behörde hatte die Prüfung von gesundheitsbezogenen Angaben über pflanzliche Inhaltsstoffe durch die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im September 2010 ausgesetzt. Zur Begründung wurde auf die unterschiedliche Behandlung von Pflanzenpräparaten und -extrakten in den nationalen Rechtsvorschriften verwiesen. Die Gemeinschaftsliste sollte laut EU-Verordnung eigentlich bis spätestens Ende Januar 2010 verabschiedet werden.

Schwabe hat die Kommission über seine niederländische Vertriebs- und Marketingtochter VSM Geneesmiddelen verklagt. Der Phytohersteller hatte die Brüsseler Behörde im April vergangenen Jahres aufgefordert, die Bewertung unverzüglich wieder aufzunehmen. Das Unternehmen fühlt sich „vom gegenwärtigen rechtlichen Rückstand und der Unsicherheit im Bereich gesundheitsbezogener Angaben über in Lebensmitteln verwendete 'Botanicals' stark betroffen“.

Der Hersteller hatte der Kommission eine Frist gesetzt, die jedoch nicht eingehalten wurde. Schwabe betont, dass die Verordnung darauf abziele, dass allgemeine Grundsätze für alle Angaben festgesetzt würden. Der Gesetzgeber habe keine unterschiedlichen Bewertungsniveaus für spezielle Arten von Substanzen festlegen wollen. Sonderregelungen für die Bewertung von Angaben über pflanzliche Inhaltsstoffe entbehrten einer rechtlichen Grundlage und widersprächen den allgemeinen Zielen der Verordnung.

Bionorica und Diapharm werfen der Kommission Untätigkeit vor. Die Behörde sei nicht berechtigt, die wissenschaftliche Bewertung der Angaben zu Botanicals zeitlich unbefristet auszusetzen. Das Handeln begünstige eine „unionsweite Rechtszersplitterung“ und widerspreche dem Grundanliegen der Verordnung, europaweit einheitliche Regeln zu schaffen.

In der Branche geht man davon aus, dass ein großer Teil der Angaben zu Lebens- und Nahrungsergänzungsmitteln mit pflanzlichen Inhaltsstoffen bei der Prüfung verboten würde. Auch die Bundesregierung teilt diese Ansicht. Gesundheitsbezogene Angaben müssten auch für alle Lebensmittel wissenschaftlich fundiert sein, hieß es im Frühjahr 2014 als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Auch bei pflanzlichen Inhaltsstoffen, bei denen es einen „traditionellen“ Gebrauch geben könne, müsse die Zulässigkeit der Claims wissenschaftlich bewertet werden.

1550 Angaben zu pflanzlichen Stoffen liegen der EFSA vor, weitere 500 sind bereits bewertet und warten auf die Entscheidung der Kommission. Die Health-Claims-Verordnung gilt seit Juli 2007; die Gemeinschaftsliste enthält 222 gesundheitsbezogene Angaben. Bis 2008 hatten die Mitgliedstaaten rund 44.000 Formulierungen zur Prüfung eingereicht, die nach einzelnen Stoffgruppen und Zusammenhängen zu einer konsolidierten Liste von rund 4600 Angaben zusammengefasst wurden. Rund 1600 Einträge der konsolidierten Liste wurden nicht zugelassen.

Die Unternehmen hatten nach Veröffentlichung der Liste sechs Monate Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Die Verordnung soll in der EU einheitliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln oder der Werbung für Lebensmittel schaffen.

Verbraucher sollen durch die Gemeinschaftsliste eindeutige Informationen zu Lebensmitteln – auch Nahrungsergänzungsmitteln und diätetische Lebensmittel – erhalten. Außerdem soll ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden. In Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für die Liste zuständig.

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