Großhandel

Phoenix: Konzern will Konditionen kontrollieren Patrick Hollstein, 06.09.2017 10:15 Uhr

Berlin - 

Die Rabattschlacht hat den Großhandel im Griff, jetzt zieht Branchenprimus Phoenix die Reißleine. Der Marktanteil ist abgerutscht, die Ergebnissituation unbefriedigend. Ein Sparprogramm soll Millionen bringen. Gleichzeitig will die Konzernzentrale insbesondere die Niederlassungen enger an die Leine nehmen.

Schon bei der Präsentation der Zahlen für das vergangene Geschäftsjahr machte Konzernchef Oliver Windholz im Mai keinen Hehl daraus, dass sich der starke Wettbewerbsdruck im Heimatmarkt fortsetzt: „Deutschland ist immer hart umkämpft.“ Zudem büßten die Großhändler angesichts des anhaltenden Trends zu hochpreisigen Arzneimitteln ein: „Die Marge in Deutschland reicht nicht aus“, so das Fazit des Konzernchefs.

Doch nicht nur bei der Ertragslage ist der Branchenprimus unter Druck, auch die Konkurrenz hat zuletzt Boden gut gemacht. Zwar konnte Phoenix laut Windholz 2016/2017 den Marktanteil bei „über 28 Prozent“ halten. Doch aktuell soll nach Informationen von Branchenkennern die 2015 ausgegebene Demarkationslinie von 28 Prozent unterschritten worden sein.

Bereits im Februar wurde unter dem Motto „Fit für die Zukunft“ ein Restrukturierungs- und Sparprogramm aufgesetzt, im Juni wurden erste Maßnahmen zur Optimierung von Prozessen in der Deutschlandorganisation bekanntgegeben. „Das Ziel ist, Phoenix im größten europäischen Markt zukunftssicher aufzustellen“, sagt Freitag.

Allmählich zeichnen sich die Details des mit Hilfe von McKinsey erarbeiteten Programms ab. Im Kern sieht die neue Struktur eine Reduktion der Vertriebsregionen vor. Seit 2014 sind die 20 Niederlassungen in acht Clustern gebündelt, ab Februar kommenden Jahres soll es nur noch vier Vertriebs- und fünf Betriebsdirektionen geben. Ziel ist es, dass der Vertrieb künftig zentral in Mannheim gesteuert wird – so will der Konzern besser kontrollieren, welche Konditionen gegenüber den Apotheken eingeräumt werden. Vor Ort sollen die Vorgaben stringenter umgesetzt werden. Auch das Debitorenmanagement soll künftig nicht mehr in den Niederlassungen angesiedelt sein.

Prozessspezialisten und zusätzliche Projektleiter in Mannheim sollen die Verbesserung der betrieblichen Kennzahlen sicherstellen. Auch der Bereich Einkauf von Harald Eisenmann soll optimiert werden, hier soll in den kommenden Monaten durch McKinsey ein Konzept erstellt werden. Die Auftragsannahme wird weiter zentralisiert. Durch die Optimierung der Verteilstrategie sollen die Defekte reduziert werden. Das in der Niederlassung in Herne angesiedelte bundesweite Verteilzentrum soll geschlossen werden, alleine hier sollen dem Vernehmen nach 90 Mitarbeiter freigesetzt werden.

Insgesamt soll das Programm Einsparungen in Millionenhöhe bringen, eine dreistellige Anzahl an Mitarbeitern muss angeblich das Unternehmen verlassen. Mit dem Betriebsrat und Verdi wird derzeit ein Interessenausgleich verhandelt, bis zum Jahresende soll ein tragfähiges Ergebnis stehen.

Der Konzern räumt ein, dass die geplanten Veränderungen Auswirkung auf Arbeitsplätze haben können. Es könne in den verschiedenen Unternehmensbereichen aber auch zu Stellenaufbau und zu Verlagerungen an andere Standorte kommen. Durch die zentrale Führung und Steuerung sowie durch Kompetenzteams soll die Organisationsstruktur effizienter werden, heißt es weiter. Außerdem sei geplant, die Prozesse unternehmensweit weiter zu standardisieren. Die über das gesamte Bundesgebiet verteilten 20 Vertriebszentren bleiben bestehen. Die Standorte sollen durch die neue Struktur zudem gestärkt werden. „Die Nähe zu unseren Kunden ist uns sehr wichtig. Wir werden die Apotheken vor Ort weiterhin schnell und sicher beliefern und ein umfassendes Serviceangebot anbieten“, betont Freitag.

Das neue Personaltableau steht bereits: Zu den neuen Vertriebsdirektoren gehören Stefan Eck (Nord: Hamburg, Oldenburg, Hannover, Münster, Bielefeld und Herne), Alexander Kluschke (West: Hanau, Bad Kreuznach, Köln, Mannheim), Florian von Stürler (Ost: Berlin, Cottbus, Leipzig, Gotha, Göttingen) und Heiko Senfleben (Süd: Neuhausen, Freiburg, Fürth, Augsburg, München).

Sie sollen jeweils für rund 14 Gesamtvertriebsleiter verantwortlich sein und durch die „Zentralisierung der Vertriebsunterstützung“ ihre Führungstätigkeit vor Ort fokussierter umsetzen können. Außerdem sollen sie mit Gruppen verhandeln und Repräsentationsfunktionen übernehmen.

Als Betriebsdirektoren sind Roland Zimmermann (Nordwest: Hamburg, Oldenburg, Hannover, Göttingen), Bernd Dziawer (Nordost: Gotha, Leipzig, Berlin, Cottbus) und Uwe Macher (Südost: Hanau, Fürth, Augsburg, München) gesetzt. Für die Regionen Mitte (Münster, Bielefeld, Herne, Köln) und Südwest (Bad Kreuznach, Mannheim, Neuhausen, Freiburg) werden offenbar noch Kandidaten gesucht.

Der erweiterte Verantwortungsbereich der Betriebsdirektoren umfasst laut internen Konzernunterlagen die Führung und Entwicklung der Niederlassungsleiter, die Sicherstellung zentraler Standards und die Einhaltung der mit der Geschäftsleitung in Mannheim abgestimmten Budgets. Außerdem sollen sie an der strategischen Ausrichtung von Strukturen und Prozessen mitarbeiten und betriebliche Exzellenz-Initiativen erarbeiten und durchführen.

Die spannende Frage ist, wie die bisherigen Verantwortlichen in den Regionen mit der Zuweisung auf einen einzelnen Standort umgehen werden. Von den Vertriebsleitern betroffen sind Franz Schrödl, der demnächst allerdings in Ruhestand geht, sowie Ulrike Brentzel, Florian Altenhof und Matthias Britze. Bei den Betriebsleitern sind es Stephan Lichtenheldt, Elmar Gawollek, Christoph Greulich, Marco von Seiller und Karl-Heinz Berschet.

Die Logistikleiter müssen sich derzeit angeblich neu auf ihre Stelle bewerben, per Assessment-Center sollen die geeigneten Kandidaten selektiert werden. Das passiert mit Unterstützung einer externen Personalberatung. Personalchef Sascha Breitscheidel ist nicht mehr an Bord und wird interimsweise von Jens Lübberstedt vertreten, dem Leiter des Bereichs auf Konzernebene.

Beim vorangegangenen Sparprogramm „Forward“ hatte Phoenix vor vier Jahren zunächst vor allem im Ausland den Rotstift angesetzt. Dann wurden administrative Aufgaben auch in Deutschland in den Niederlassungen gebündelt, bis zu 380 der insgesamt rund 4000 Arbeitsplätze wurden nach Konzernangaben „verlagert beziehungsweise abgebaut“. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht vollständig zu vermeiden, hieß es. Insgesamt sollten durch die Maßnahmen in der gesamten Gruppe jährlich 100 Millionen Euro eingespart werden.