Interview Axicorp

"Geschenke an Big Pharma" Alexander Müller, 12.03.2010 15:32 Uhr

Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) hat Preismoratorien und eine Erhöhung des Herstellerabschlags angekündigt. Forschende Hersteller sollen künftig mit den Krankenkassen über die Preise verhandeln, dafür könnte die Importquote für Apotheken wegfallen. Das hessische Unternehmen Axicorp würde von Röslers Plänen gleich doppelt getroffen: als Importeur und als Generikahersteller. APOTHEKE ADHOC sprach mit Geschäftsführer Dirk Ullrich über die Macht der Pharmalobby, die Zukunft des Importgeschäfts und verständnislose Investoren in Indien.

ADHOC: Herr Ullrich, Sie dürften nicht allzu begeistert sein von den Plänen des Gesundheitsministers.
ULLRICH: Noch ist ja nichts entschieden. Aber man muss sich schon fragen, warum ausgerechnet Unternehmen überproportional abgestraft werden, die sich im System bereits permanent Einsparungen verwirklichen. Mit importierten Arzneimitteln sparen die Kassen jährlich bis zu 400 Millionen Euro. Importeure agieren mit kleinen Margen auf Händlerniveau. Wie soll die Branche eine zehnprozentige Erhöhung des Abschlags überleben?

ADHOC: Warum wird die Importquote denn hinterfragt?
ULLRICH: Aus meiner Sicht ist das ein Geschenk an Big Pharma. Ich habe wirklich ein Verständnisproblem, wenn den forschenden Herstellern 2,8 Milliarden Euro Importmarkt geschenkt wird, damit diese ab 2011 anfangen, Preise zu verhandeln.

ADHOC: Vielleicht erhofft man sich größere Einsparungen.
ULLRICH: Seit 2005 wird über eine Kosten-Nutzen-Bewertung verhandelt, und es gibt noch nicht einmal eine richtige Methode. Jetzt wird über direkte Preisverhandlungen geredet. Wie soll das gehen? Die Hersteller müssten sich für jedes ihrer Produkte mit allen Krankenkassen zusammensetzen; das wären mehr als 9000 Verhandlungen. Das wird noch Jahre dauern, und welche Einsparungen dabei herauskommen, weiß niemand.

ADHOC: Sie haben schon bei forschenden Herstellern gearbeitet. Stimmt die Mär von den Mondpreisen?
ULLRICH: Wir sind als Importeur rund 20 Prozent billiger und wollen trotzdem wachsen. Also müssen die Arzneimittel im Ausland noch billiger sein. Importe bilden somit das einzige Regulativ, um Differenzen zu anderen EU-Ländern zu begrenzen. Dass wir Big Pharma hier in Deutschland stören, weiß ich aus eigener Erfahrung.

ADHOC: Die Apotheker fordern ebenfalls eine Abschaffung der Importquote.
ULLRICH: Wir haben viele zufriedene Kunden, von denen höre ich etwas anderes. Schließlich hat sich der Markt gerade in der Qualität sehr nach vorne entwickelt, Importe erkennt man heute nicht mehr auf den ersten Blick. Insofern wäre ich vorsichtig damit, von „den Apothekern“ zu sprechen. Aber es gibt natürlich immer mehrere Meinungen.

ADHOC: Wie läuft Ihr Generikageschäft?
ULLRICH: Der Schwerpunkt liegt noch immer bei den Importen, aber die Bedeutung der Generika hat durch die Rabattverträge zugenommen.

ADHOC: Und wenn Rabattverträge entschärft werden?
ULLRICH: Warum sollten wir ein Instrument abschaffen, mit dem die Kassen im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Euro gespart haben? Wenn man die Apotheker jetzt aus der Abgabepflicht entlässt, müssen die Unternehmen wieder in den Vertrieb investieren, gleichzeitig aber Rabatte an der Schmerzgrenze gewähren. Profitieren würden wieder die etablierten Generikahersteller, die schon Vertriebsstrukturen aufgebaut haben.

ADHOC: Wann starten Sie in Deutschland mit Biosimilars?
ULLRICH: Aufgrund des komplexen europäischen Zulassungsverfahrens braucht das Zeit. Wir werden mit unserem Partner Biocon ab Ende 2012 schrittweise bis 2015 sechs Insulin-Präparate einführen. Dieser Markt ist mit einem geschätzten Umsatz von einer Milliarde Euro jährlich sehr interessant. Allein mit Biosimilars sind in diesem Bereich Einsparungen von bis zu 300 Millionen Euro möglich. Aber um diese Potentiale zu heben, müssen die Rahmenbedingungen für die Unternehmen stimmen.

ADHOC: Wird Ihr indischer Investor nervös?
ULLRICH: Von Nervosität ist man weit entfernt. Aber auf der anderen Seite des Globus versteht niemand, warum man in einem System die Unternehmen vom Markt räumen will, die die Kosten dämpfen.