Anreiz zu Arzneimittelkauf

Gericht verbietet OTC-Streichpreise 10.12.2025 09:51 Uhr

Berlin - 

Ausgerechnet der Europäische Gerichtshof (EuGH) war nach seinem Urteil zu Rx-Boni zuletzt auf eine restriktive Linie bei der Werbung für Arzneimittel eingeschwenkt: Alles, was zu einem Mehrverbrauch von Medikamenten führen kann, ist demnach schon nach EU-Recht unzulässig. Diese Sichtweise schlägt sich jetzt auch in den ersten Urteilen hierzulande nieder: Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hat vor dem Landgericht Frankfurt (LG) eine Entscheidung zu der Frage erwirkt, ob für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Streichpreisen geworben werden darf.

Konkret ging es um Gestaltungen des in den Niederlanden ansässigen Versenders Apo.com, die Ersparnissen von teilweise über 60 Prozent grafisch hervorhoben zum Apothekenverkaufspreis (AVP), also dem Preis, der ausnahmsweise dann angesetzt wird, wenn das Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben wird. Dabei wurde die Ersparnis grafisch mit einem Streichpreis und farblich versehen und prozentual sowie mit festem Eurobetrag hervorgehoben. Außerdem wurden Bündelpackungen zu Vorteilspreisen angeboten. Angaben zum niedrigsten Gesamtpreis innerhalb der letzten 30 Tage gab es nicht.

Nach Auffassung des Gerichts verstößt eine solche Werbung gegen die berufliche Sorgfalt einer Apotheke. Unter Berufung auf die neuere Rechtsprechung des EuGH, der deutlich strengere Maßstäbe bei der Werbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, bei deren Auswahl der Verbraucher nicht durch einen Arzt unterstützt wird, ansetzt, hat das LG Frankfurt sich die Argumentation der AKNR angeschlossen, dass eine derartige Gestaltung, die allein den Preis hervorhebt, nur dazu dient, den Absatz von Arzneimitteln zu fördern, und somit einer unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leistet.

So hat das LG keinen Zweifel daran, dass die dargestellte konkrete hervorgehobene Preisersparniswerbung aus dem Grund gewählt wurde, um einen zusätzlichen Kaufanreiz zu schaffen, da man ja aufgrund des besonders niedrigen Preises ganz besonders sparen kann. Nach Auffassung der Kammer ist eine andere Sichtweise eher lebensfern. Es gehe allein um die Gefahr und naheliegende Möglichkeit, dass der Verbraucher aufgrund der blickfangmäßig hervorgehobenen Werbung zur Preisersparnis dazu verleitet werde, eine größere Menge an Medikamenten einzukaufen, als er eigentlich benötige. Dies gelte auch unter Berücksichtigung einer Vorratshaltung in der Hausapotheke. Wenn die Medikamente so günstig seien, müsse man „zuschlagen“.

Abgelenkte Verbraucher

Dabei werde der Verbraucher von einer sachlichen Prüfung der Frage ablenkt, ob die Einnahme eines Arzneimittels erforderlich sei. Dadurch wiederum werde der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung dieses Arzneimittels Vorschub geleistet. Das Argument der Preisersparnis überlagere also die Frage, wie viele Arzneimittel man eigentlich bei rationaler Sichtweise tatsächlich benötige. Insoweit gehe von der farblichen Hervorhebung des Preises des jeweiligen Produktes und der kommunizierten massiven Preisersparnis eine Anlockwirkung aus, die einer informierten Entscheidung des Verbrauchers entgegen stehe.

Die AKNR begrüßt das Urteil, da es eine weitere Stärkung der Position der Apotheken sei. „Produkte, die ausschließlichen Apotheken angeboten werden dürfen, leben von der Beratung und nicht vom Preis. Die Beratung, die unsere Mitglieder jeden Tag leisten, muss sich auch lohnen. Das Urteil sehen wir als Bestätigung der Arbeit unserer Kammerangehörigen und der Apotheken vor Ort“, so Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann.

„Bei Arzneimitteln handelt es sich um Produkte mit einem besonderen Charakter, bei denen Werbung, wie sie für normale Güter des täglichen Lebens üblich sein mag, nicht zulässig ist. Das Urteil ist ein klares Zeichen gegen die Bagatellisierung von Arzneimitteln, gegen die die AKNR seit Jahren angeht“, so die Justiziarin und Geschäftsführerin der Apothekerkammer Nordrhein, Dr. Bettina Mecking.

Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der die AKNR in diesem Verfahren vertreten hat, ergänzt: „Das europäische Recht hat in der jüngeren Vergangenheit deutlich strengere Vorgaben im Bereich der OTC-Arzneimittel gemacht als in Deutschland üblich. Die deutsche Werbepraxis, insbesondere auch mit Preisreduzierungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, wird daher anzupassen sein – da das europäische Recht eine Vollharmonisierung der Arzneimittelwerbung anstrebt, gibt es hier auch keinen Spielraum für großzügigere Regelungen, mögen die europäischen Vorgaben auch über viele Jahre missachtet worden sind.“