Pharmahandelskonzerne

FTD: Celesio verkauft Movianto Patrick Hollstein, 16.01.2012 10:18 Uhr

Berlin - 

Wenn Hersteller ein Arzneimittel produziert haben, soll die gesamte Charge in der Regel schnellstmöglich vom Hof. Die Abholung, Lagerung und Verteilung an die Pharmagroßhändler übernehmen gegen eine Gebühr seit einigen Jahren sogenannte Pre-Wholesaler – die meist Tochterfirmen von Pharmahändlern sind. Celesio hatte vor knapp zehn Jahren die Logistiksparte der Sanacorp, die Firma Sanalog, übernommen und mit dem eigenen Servicegeschäft unter der Marke Movianto gebündelt. Jetzt will der neue Konzernchef Markus Pinger aus dem Geschäftsbereich aussteigen.

Wie die Financial Times Deutschland (FTD) unter Berufung auf Branchen- und Finanzkreise berichtet, hat Celesio Investmentbanken eingeladen, sich für das Verkaufsmandat zu bewerben. Der Pitch laufe bereits und sei ein sicheres Indiz dafür, dass das Schicksal der Sparte besiegelt ist, so die FTD. Sollte ein Verkauf am Preis scheitern, würden die Aktivitäten in den jeweiligen Konzernbereich eingegliedert, so die FTD mit Bezug auf Unternehmenskreise.

Ein Konzernsprecher äußerte sich gegenüber der FTD zurückhaltend: Es gebe keinen Verkaufsbeschluss. Allerdings hatte Pinger bereits bei der Präsentation seiner Strategie im Herbst durchblicken lassen, dass Movianto zur Disposition steht. Der ehemalige Beiersdorf-Vorstand will Celesio wieder auf das Kerngeschäft fokussieren: den Pharmagroßhandel und den Betrieb von eigenen Kettenapotheken.

Mit Movianto erwirtschaftete Celesio 2010 einen Rohertrag von 185 Millionen Euro und ein operatives Ergebnis (EBITDA) von 18 Millionen Euro. Insgesamt wurden laut FTD Produkte im Wert von 444 Millionen Euro transportiert; europaweit verfügt das Unternehmen über Lagerkapazitäten von 225.000 Palettenplätzen. Für Pinger könnte die Sparte zu klein sein – im Großhandel erwirtschaftet Celesio immerhin einen Umsatz von 19 Milliarden Euro, mit den eigenen Apotheken 3,3 Milliarden Euro.

 

Außerdem gibt es Probleme in dem Geschäftsbereich: In den ersten neun Monaten blieb die Auftragslogistik auf Vorjahresniveau, das Ergebnis brach um 40 Prozent ein, unter anderem wegen des Verlusts eines Großkunden im Bereich Direct-to-pharmacy (DTP) in Großbritannien, Anlaufverlusten in Portugal und der schwierigen Entwicklung auf dem spanischen Markt. Außerdem ist Movianto in Großbritannien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Österreich, Slowenien, Tschechien vertreten. Auch in den Niederlanden und in der Slowakei, wo Celesio sonst nicht präsent ist, gibt es Movianto-Niederlassungen. Die Filiale in Norwegen wurde dagegen offenbar wegen der dichten Marktsituation bereits aufgegeben.

Dazu kommt, dass mit dem Belieferungsanspruch des Pharmagroßhandels, den auch andere Länder nach deutschem Vorbild einführen wollen, die strategische Komponente wegzubrechen droht: Im Wettbewerb mit reinen Logistikdienstleistern wie der Bertelsmann-Tochter Arvato hätte Celesio über Movianto auch in einer Welt des Exklusivvertriebs von Originalpräparaten mitspielen können. Während der Großhandelsverband Phagro 2009 politisch gegen DTP kämpfte, hatten Movianto und die Anzag-Logistiksparte CPL das MS-Mittel Extavia (Interferon-beta-1b) des Pharmakonzerns Novartis exklusiv an deutsche Apotheken und Kliniken geliefert. Hierzulande betreibt Movianto Vertriebszentren im bayerischen Kist und im saarländischen Neunkirchen.

Für die Pharmahändler war Pre-Wholesale immer auch eine Reserveoption für den Fall, dass die Pharmafirmen dem vollversorgenden Großhandel das Wasser abgraben. Phoenix etwa bot eine Zeitlang sogar an, klinische Studien für Hersteller zu begleiten. Bei Celesio wiederum ist Movianto auch Bestandteil der Homecare-Sparte: In Großbritannien etwa liefert der Logistiker für die Schwesterfirma Evolution Homecare Arzneimittel zu Patienten nach Hause. Wie es mit diesem Geschäftsbereich nach der Trennung von Medco weitergeht, wird sich erst zeigen.

Mit Pharmexx ist Celesio auch im Bereich des Leihaußendienstes aktiv – allerdings sieht die Situation hier noch trüber aus. Das Unternehmen ist mit Niederlassungen über die ganze Welt verstreut und schrieb 2010 Verluste. Hier hatte Ex-Konzernchef Dr. Fritz Oesterle vor seinem Abgang noch den kompletten Kaufpreis von 72 Millionen Euro abschreiben und einräumen müssen, dass die Firma zu schnell gewachsen sei.