Montanus-Apotheken

Steuerfahndung wegen „Vorteil24“? Alexander Müller, 19.03.2015 15:25 Uhr

Berlin - 

Bekannt ist die Apothekerfamilie Winterfeld vor allem durch das frühere Pick-up-Konzept „Vorteil24“. Die Familie betreibt im Bergischen Land neun Apotheken, eine davon ist die Adler-Apotheke in Burscheid. Dort gab es am Montag eine offenbar größere Durchsuchungsaktion. Die Hintergründe sind bislang nicht bekannt.

Ob die Ermittler auch in weiteren Apotheken der Winterfelds waren, ist derzeit unklar. Gesichert ist dies nur für die Adler-Apotheke. Die „Westdeutsche Zeitung“ (WZ) beruft sich zudem auf Zeugenaussagen, wonach ein Großaufgebot an Einsatzkräften im Tagesverlauf sowohl Computer als auch Aktenordner beschlagnahmt haben soll.

Auf Nachfrage wollte sich in der Adler-Apotheke niemand zu der Sache äußern. Auch Dr. Andreas Winterfeld, der maßgeblich hinter dem Konzept „Vorteil24“ stand, war für Rückfragen bislang nicht zu sprechen.

Möglich, aber nicht belegt ist, dass es sich um eine Steuerangelegenheit handelt. Bei der Staatsanwaltschaft Köln liegen jedenfalls keine Ermittlungsverfahren gegen einen der Winterfelds vor, auch die Polizei war nicht involviert. Ohne Staatsanwalt durchsuchen darf die Steuerfahndung. Aufgrund des Steuergeheimnisses machen diese Behörden allerdings keine Angaben zu laufenden Ermittlungen. Bekannt ist aber, dass die Winterfelds schon vor Jahren Ärger mit der Finanzaufsicht hatten. Damals ging es ebenfalls um das Pick-up-Konzept „Vorteil24“.

Die Winterfelds hatten ab 2008 in ihren Apotheken ein eigenes Pick-up-Konzept gestartet. Die Kunden erhielten Rx-Rabatte dabei, wenn sie die Arzneimittel bei der niederländischen Montanus-Apotheke bestellten, die ebenfalls zur Gruppe gehörte. Formal mussten die Kunden ihre Medikamente selbst in Holland abholen, konnten für 50 Cent aber einen Lieferdienst beauftragen.

Mit diesem Abholtrick sollte das Mehrwertsteuergefälle zwischen Deutschland und den Niederlanden ausgenutzt werden, einen Teil der Gewinne erhielten die Kunden als Boni. Im Herbst 2010 war die Apothekenkooperation Linda bei „Vorteil24“ eingestiegen. Im Juli 2012 hatte Montanus die Zusammenarbeit überraschend gekündigt und „Vorteil24“ Hals über Kopf eingestellt.

Das abrupte Ende wurde nicht weiter begründet. Spekuliert wurde allerdings schon damals, dass die steuerrechtliche Komponente zu heiß war. Steuerexperten und zuletzt sogar das Bundesfinanzministerium (BMF) hatten erhebliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Mehrwertsteuertricks.

Bereits 2009 hatte sich die Finanzaufsicht für das Modell interessiert. Vor dem Finanzgericht Düsseldorf stritten die Winterfelds um die Entrichtung der Umsatzsteuer. Das Gericht äußerte seinerzeit im Eilverfahren Zweifel, dass die Abhol-Idee einer juristischen Prüfung standhalten würden. Es sei fraglich, ob ein Unternehmen den Ort der Lieferung einfach in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) festlegen könnte, so die Richter.

Gestritten wurde um 140.000 Euro Umsatzsteuer für den Zeitraum Januar bis Juli 2009. Montanus hatte die Erlöse als nicht steuerbar deklariert, weil diese in den Niederlanden erzielt worden seien. Aus Sicht der zuständigen Finanzbehörde waren die Umsätze dagegen sehrwohl steuerpflichtig; die Vorauszahlungsbescheide wurden entsprechend festgesetzt. Ob in der Sache je ein Hauptsacheverfahren eröffnet wurde, ist nicht bekannt.

Vor rund einem Jahr hatte in einem zivilrechtlichen Verfahren jedenfalls der Bundesgerichtshof (BGH) letztinstanzlich entschieden, dass „Vorteil24“ unzulässig war. Die Abholklausel in den AGB ließen die Karlsruher Richter nicht durchgehen, „denn die hier hinsichtlich des Erfüllungsorts getroffene Regelung dient ersichtlich allein der Umgehung des deutschen Arzneimittelpreisrechts“, so die Begründung.

Für den BGH war eindeutig, dass die Übergabe der Arzneimittel in den deutschen Apotheken erfolgte und der Marktort im Inland liege. Damit müsse sich die liefernde Montanus-Apotheke an die deutschen Preisvorschriften halten. Mit Umsatzsteuerfragen hatten sich die Karlsruher Richter nicht befasst, weil dies nicht zum Wettbewerbsrecht gehört. Die Entscheidung könnte aber dennoch ein Fingerzeig für die Finanzbehörden gewesen sein.