Kammer ist zuversichtlich

DocMorris-Boni: BGH entscheidet im November 01.08.2025 10:52 Uhr

Berlin - 

Nach der gestrigen Verhandlung zur Schadenersatzklage von DocMorris gegen die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) setzte der Bundesgerichtshof (BGH) noch einen Verkündungstermin fest: Am 6. November soll es ein Urteil geben.

DocMorris hatte die Kammer auf Schadenersatz verklagt: Weil sie in fünf Fällen einstweilige Verfügungen erwirkt hatte, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2016 zu Unrecht erlassen worden waren, soll die Kammer dem Versender 18 Millionen Euro zahlen.

Zwei der fünf streitigen Fälle hatte schon der EuGH im Vorlageverfahren abgeräumt, weil hier Gutscheine für spätere OTC-Käufe spendiert worden waren, was schon laut EU-Richtlinie unzulässig sei. Eine weitere Aktion war wohl unzulässig, weil der Rabatt unbestimmt war. Das ist laut Heilmittelwerbegesetz (HWG) verboten, laut EuGH steht die Regelung nicht im Widerspruch zu EU-Recht. Und bezüglich eines vierten Falls äußerte heute der BGH Zweifel, weil auch hier ab einem bestimmten Preis kein Sofortrabatt, sondern ebenfalls ein Gutschein spendiert wurde. Damit bleibt ein Fall, in dem DocMorris einen Betrag in Höhe von 5 Euro vom Preis abgezogen hatte.

Kammer will dranbleiben

Bei der Kammer ist man zuversichtlich, glimpflich aus der Sache zu kommen. „Marketing-Maßnahmen des Versenders aus Heerlen aus früheren Zeiten fallen ihm nun offenbar auf die Füße und eröffnen uns die Möglichkeit, die Grenzen der Werbung mit Zuwendungen gerichtlich feststellen zu lassen“, erklärt Dr. Bettina Mecking, Justiziarin und Geschäftsführerin der AKNR. „Wir werden dranbleiben – und diesen und andere Versender zur Einhaltung des geltenden Rechts bewegen.“

„Mich hat gefreut, dass der Senat die qualitativ höherwertigere Beratung, die Patienten in der Apotheke vor Ort unaufgefordert erhalten, gewürdigt hat“, erklärt Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann. „Wenn man diese Beratung bei einem Versender nur auf Nachfrage erhält, hat das für mich nichts mehr mit ordentlicher Versorgung zu tun. Hinter unseren Apotheken stehen eingetragene Kaufleute, die persönlich haften. Hinter EU-Versendern stehen kapitalgetriebene Konzerne, von Verantwortung und Haftung keine Spur. Ja, deutsche Aufsichtsbehörden haben nicht einmal Zugang zu den Hochregallagern hinter der Grenze. Ich finde, die Politik muss hier tätig werden und klarere Rahmenbedingungen schaffen.“

Laut BGH kann die Werbung mit Gutscheinen und Gewinnspielen die Verbraucherentscheidung tatsächlich unsachgemäß beeinflussen, „das sieht auch der EuGH so“, erklärte der Vorsitzende Richter Professor Dr. Thomas Koch zu Beginn der Verhandlung. So gebe es eine Gefahr der Irreführung bei Zuwendungen, die mit dem eigentlichen Kauf nichts zu tun hätten.

Apotheke sticht Versandhandel

Zwar sei beim Erwerb von rezeptpflichtigen Arzneimitteln die Entscheidung durch den Arzt gefallen, aber der Patient müsse sich dennoch für eine Apotheke entscheiden. Und hier sei zu differenzieren zwischen einer Vor-Ort-Apotheke, in der man unaufgefordert eine qualitativ höhere Beratung erhalten, und einer Versandapotheke, wo man Beratung nur auf Nachfrage erhalte.

Länderliste als neues Thema

Bislang hatte der BGH im Verfahren nur auf die Zulässigkeit der Werbeaktion abgehoben und auch nur danach den EuGH befragt. Erstmals machte Koch aber ein neues Thema auf, indem er das Verbringungsverbot nach § 73 Arzneimittelgesetz (AMG) ins Spiel brachte. Demnach dürfen Arzneimittel aus dem Ausland nur von einer Versandapotheke verschickt werden, „welche für den Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt ist“. Entsprechend müssen die deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel eingehalten werden.

Die AKNR hatte in der Vorinstanz moniert, dass DocMorris keine Präsenzapotheke unterhalte, sondern lediglich einen kleinen Nebenraum, welcher für den normalen Publikumsverkehr faktisch nicht zugänglich sei und in dem so gut wie keine Medikamente erhältlich seien. Dieser Nebenraum erfülle aufgrund seiner spartanischen Ausstattung, des Fehlens eines ordnungsgemäßen Kassensystems und des eingeschränkten Produktangebots nicht die Anforderungen gemäß Länderliste.

Das OLG war diesem Vortrag nicht gefolgt – hatte sich laut BGH aber lediglich auf die Aussagen von DocMorris gestützt. „Wir sind nicht glücklich mit der Entscheidung des Berufungsgerichts“, so Koch. Denn im Zusammenhang mit den Vorgaben der Länderliste könnte dies entscheidend sein – womöglich ein Hinweis darauf, dass dies vom OLG noch einmal zu prüfen sein wird.