Patentklage vorerst gescheitert

Dimethylfumarat: Neuraxpharm gewinnt gegen Biogen Patrick Hollstein, 06.10.2022 16:55 Uhr

Neuraxpharm hat sich mit seinem Tecfidera-Generikum in erster Runde vor Gericht behauptet. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Seit Juni sind Generika zu Tecfidera (Dimethylfumarat) auf dem Markt. Der Originalhersteller wollte die Konkurrenz stoppen, doch das Landgericht Düsseldorf (LG) lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Neuraxpharm ab.

Der Antrag stützte sich laut den Anwälten von Neuraxpharm auf die Behauptung, dass die Vermarktung von entsprechenden Generika den deutschen Teil des europäischen Patents EP 2 653 873 B1 (EP'873) verletzen würde. Das LG sah das nicht so, sondern stellte das Patent in Frage: Es sei wahrscheinlich, dass es im anhängigen Einspruchsverfahren beim Europäischen Patentamt (EPA) wegen „fehlender erfinderischer Tätigkeit“ im Zusammenhang mit der täglichen Dosierung von 480 mg widerrufen werde.

„Wir freuen uns sehr, dass wir Neuraxpharm in diesem wegweisenden Verfahren gegen Biogen beraten konnten. Es ist besonders erfreulich, dass wir Neuraxpharm dabei helfen konnten, auf dem deutschen Markt zu bleiben, obwohl in Patentverletzungsverfahren oftmals Originalhersteller siegreich sind“, so Dr. Matthias Meyer von der Kanzlei Bird & Bird.

Biogen hat gegen das Urteil bereits Berufung eingelegt. Meyer ist jedoch optimistisch, dass das erstinstanzliche Urteil bestätigt wird und dass es positive Auswirkungen auf ähnliche Verfahren haben wird, die von Biogen in verschiedenen anderen Ländern angestrengt wurden.

Vor knapp zehn Jahren Biogen für sein damals wichtigstes Medikament einen erweiterten Patentschutz in Europa erhalten. Bis jetzt konnten Generikafirmen nicht aktiv werden. Seit Juni traten Hexal, Neuraxpharm, Mylan und Zentiva an: Die Generikahersteller brachten Präparate in den Dosierungen 120 mg und 240 mg auf den Markt. Die Dimethylfumarat-haltigen MS-Mittel kommen als magensaftresistente Hartkapseln.

Preisvergleich

Tecfidera 240 mg 56 Stück 936,52 Euro
Dimethylfumarat Neuraxpharm 240 mg 56 Stück 667,84 Euro
Dimethylfumarat Hexal 240 mg 56 Stück 628,57 Euro
Dimethylfumarat Mylan 240 mg 56 Stück 597,93 Euro
Dimethylfumarat Zentiva 240 mg 56 Stück 473,89 Euro

Verordnungszahlen

Tecfidera lag laut Arzneiverordnungsreport im Jahr 2020 mit Nettokosten von 222 Millionen Euro auf Rang 28 umsatzstärksten Arzneimittel. Von dem Immunmodulator wurden in der Indikation MS 7,3 Millionen Tagestherapiedosen (DDD) verordnet, ein Zuwachs um 7 Prozent.

Übrigens: Es gibt weitere Dimethylfumarat-haltige Präparate, wie beispielsweise Skilarence (Almirall) oder Fumaderm (Biogen). Diese Präparate sind jedoch bei Psoriasis zugelassen und nicht bei MS.

Dimethylfumarat beeinflusst das Immunsystem der Patienten, indem es ein bestimmtes Protein – den sogenannten NFE2-related Factor 2 – aktiviert. Der Faktor ist für den Abbau beschädigter Eiweiße sowie Stickstoffoxid zuständig. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Durchfall, Übelkeit und Bauchschmerzen. Bereits vor der Anwendung bei MS wurde der Stoff bei Psoriasis verabreicht.

Weiterentwicklung

Biogen hat Anfang des Jahres eine Weiterentwicklung von Tecfidera auf den Markt gebracht. Vumerity enthält den Wirkstoff Diroximelfumarat – dieser gilt als besser verträglich, bei gleicher Wirksamkeit. Diroximelfumarat wird oral eingenommen und kommt in Form von magensaftresistenten Hartkapseln daher. Es handelt sich um ein Prodrug, welches im Körper in den aktiven Metaboliten Monomethylfumarat umgewandelt wird. Wie dieser genau bei MS wirkt, ist nicht abschließend geklärt. Eine Schlüsselrolle spielt vermutlich das Protein „Nrf2“.