Kommentar

Der Vorfall24 Alexander Müller, 17.07.2012 10:50 Uhr

Berlin - 

Am Ende wurde der Druck auf „Vorteil24“ zu groß: Gesundheitspolitiker bezeichneten das Konzept als Betrug, das Bundesfinanzministerium ordnete eine Überprüfung an und Apotheken-Steuerberater warnten vor finanziellen Risiken für die Krankenkassen. Während Linda einen geordneten Rückzug versuchte, beendete die niederländische Montanus Apotheke das umstrittene Modell Hals über Kopf. Die jetzt von den Verantwortlichen nachgeschobene Erklärung klingt nicht nur reichlich beleidigt, das Nachtreten lässt auch tief blicken.

 

Denn das Gejammer von „Gegenspielern“, „öffentlichem Druck“ und einer „Instrumentalisierung der Gesundheitspolitik“ ist ein Versuch der Verantwortlichen, sich in eine Opferrolle zu fliehen. Dass das ganze Konzept nach Einschätzung von Experten auf einem Mehrwertsteuerbetrug fußte, dazu hatte sich während der gesamten Laufzeit von „Vorteil24“ keiner der Beteiligten öffentlich äußern wollen – weder Linda noch Montanus.

Und so ist es schon bezeichnend, dass das Statement zum Ende von „Vorteil24“ jetzt von dem Logistikdienstleister Sequalog kommt. Verantwortlich zeichnet niemand. Zu Beginn des Konzepts war noch Montanus-Chef Dr. Andreas Winterfeld als Verantwortlicher genannt worden. Auch ansonsten hatte Sequalog eher den Eindruck einer Briefkastenfirma gemacht. Und so werden auch die Apotheken der Winterfelds „Vorteil24“ fortführen, „auf eigenes Risiko“ – was auch eine interessante Formulierung ist.

 

 

Und Linda? Die Kooperation wollte eigentlich erst im Oktober mit dem Inkrafttreten des Rx-Boni-Verbots aussteigen. Denn dann sei auch „Vorteil24“ unzulässig. Warum eigentlich? Nach der Logik des Konzepts versendet Montanus doch gerade nicht nach Deutschland. Wenn man sich seiner Sache sicher wäre, könnten Kunden auch künftig ihre Arzneimittel in Holland zu den dortigen Preisen abholen lassen. Das Eingeständnis in Lindas Statement könnte der Kooperation in einer juristischen Bewertung noch auf die Füße fallen. Denn was im Herbst illegal wird, funktioniert auch heute nicht als Abholkonzept.

Überhaupt war Linda kommunikativ zweigleisig gefahren: „Vorteil24“ wurde nach außen als Protestaktion gegen die Ungleichbehandlung ausländischer Versandapotheken gefeiert, in internen Rundschreiben aber auch schon mal als innovatives Vertriebskonzept mit lukrativen Rohertragssteigerungen. Fragen zu dem vermeintlichen Mehrwertsteuertrick hatte Linda stets an Montanus verwiesen, den Formfehler eines klagenden Pharmazierates dagegen öffentlich als juristischen Erfolg gefeiert.

Alles deutet darauf hin, dass Linda und Montanus sehr genau wussten, warum sie bestimmte Fragen ausgewichen sind und die teilnehmenden Apotheken mit Knebelverträgen zum Schweigen verdonnerten. Es war eine Frage der Zeit, bis sich die Finanzbehörden für „Vorteil24“ interessieren und dem Spuk damit ein Ende bereiten würden.