Sempora-Apothekenmarktstudie

Amazon schneller als Pro Avo und Zukunftspakt APOTHEKE ADHOC, 29.06.2020 12:58 Uhr

Obwohl Amazon noch immer nicht in den Apothekenmarkt eingestiegen ist, trauen insbesondere die Hersteller dem Onlineriesen die führende Rolle zu. Foto: Amazon
Berlin - 

Mit der Einführung des E-Rezeptes im Jahr 2022 sehen sich die Vor-Ort-Apotheken der gestärkten Konkurrenz des Arzneimittelversandhandels konfrontiert. Laut Sempora-Apothekenmarktstudie 2020 mit 40 Entscheidern herstellender Pharmaunternehmen, 135 Apothekern sowie 1164 Konsumenten wird der Online-Handel zulegen. Unklar bleibt aber die Rolle der Apothekenplattformen. Obwohl Amazon noch immer nicht in den Apothekenmarkt eingestiegen ist, trauen insbesondere die Hersteller dem Onlineriesen die führende Rolle zu.

82 Prozent der befragten Apotheker sind der Meinung, dass das E-Rezept die stationäre Apotheke im Wettbewerb mit dem Versandhandel nicht stärken wird. Diese Einschätzung kann durch die Befragung der Verbraucher als bestätigt angesehen werden, so die Sempora-Studie: 35 Prozent der Konsumenten haben danach bereits Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente bei Versandapotheken eingelöst, das sind 3 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. 23 Prozent der Befragten lösen diese dort sogar regelmäßig ein, ein Plus von 4 Prozentpunkten. Ein Viertel der Befragten würde zur Einlösung eines E-Rezeptes sogar die Versandapotheke gegenüber der stationären Apotheke vorziehen und für 35 Prozent der Befragten macht die Einführung des E-Rezeptes den Versandhandel attraktiver.

Auch wenn fast zwei Drittel der befragten Apotheker der Meinung sind, dass ihre Apotheke gut auf die Einführung des E-Rezeptes vorbereitet ist, glauben nur 31 Prozent der Apotheker und 6 Prozent der Hersteller, dass stationäre Apotheken im Allgemeinen zum E-Rezept gut aufgestellt sind. Zwar sind 51 Prozent der Befragten der Auffassung, dass ihre Apotheke sich allen relevanten Apothekenplattformen anschließen muss, um das E-Rezept bedienen zu können, jedoch sind im Vergleich dazu lediglich 17 Prozent bereit, sich der geplanten E-Rezept-Plattform von DocMorris anzuschließen.

Aus Hersteller-Sicht stellt die Plattform des Versandhändlers jedoch durchaus eine erfolgversprechende Option für stationäre Apotheken dar. Die Hälfte der befragten Hersteller glaubt, dass sich die E-Rezept-Plattform von DocMorris im Markt etablieren wird. „Durch das E-Rezept wird die Plattform-Ökonomie in der Pharmawelt einen Boost erleben. Wem es hier schneller und besser als dem Wettbewerb gelingt, eine starke Marke zu etablieren, wird massiv profitieren“, prophezeit Sempora-Partner Ulrich Zander. Die Mehrheit der befragten Apotheken ist allerdings auch der Ansicht, dass das E-Rezept helfen wird, im lokalen Umfeld Kunden zu gewinnen. 83 Prozent der Apotheken glauben, dass die Apotheke, die das E-Rezept am besten abwickeln kann, hierbei im Vorteil ist.

Die Hersteller erwarten eine steigende Bedeutung des Versandhandels durch das E-Rezept – sowohl für Rx- als auch für OTC-Umsätze. 95 Prozent der Hersteller erwarten einen deutlichen Anstieg des Rx-Anteils der Versandapotheken. Die Auffassung, dass die Einführung des E-Rezeptes auch Auswirkungen auf freiverkäufliche Arzneimittel haben wird, teilt die Hälfte der Befragten. Von 75 Prozent werden verstärkte Kundenströme in die Versandapotheke und damit einhergehende Verbundkäufe zugunsten des OTC-Geschäfts erwartet. Ebenso viele sind der Meinung, dass OTC-Hersteller vor dem Hintergrund der E-Rezept-Einführung in ihre Zusammenarbeit mit Versandapotheken investieren müssen. „Viele OTC Hersteller haben noch gar nicht verinnerlicht, was das E-Rezept mit ihren Vertriebskanälen machen wird – da denken viele nur an Rx. Aber das gesamte Distanzhandelsgeschäft wird durch das E-Rezept durchgewirbelt“, so Zander.

Das Verbraucherinteresse an einer digitalen Bestell-Plattform, über die das Angebot teilnehmender stationärer Apotheken erreichbar ist – vergleichbar mit einem „Apotheken-booking.com“ – ist laut Sempora-Studie „weitgehend vorhanden“. 55 Prozent der befragten Konsumenten würden ein entsprechendes Angebot nutzen. Die Plattform „Ihre Apotheken“ (ia.de) des Zukunftspaktes von Noweda/Burda ist allerdings nur 18 Prozent der Befragten bekannt. Im Durchschnitt schätzen die Hersteller die Relevanz von Online-Verkaufsplattformen als Vertriebskanal abseits von Amazon und Versandapotheken zwar aktuell noch als gering, in drei Jahren jedoch als moderat ein. Fast 90 Prozent der Apotheken lehnen es allerdings heute und auch in Zukunft ab, freiverkäufliche Produkte über andere Plattformen als Amazon zu verkaufen.

Im Vergleich zu den geplanten, digitalen Plattform-Konzepten von Apothekenkooperationen und Versandapotheken können Pro AvO und der Zukunftspakt der Studie zufolge aus Sicht der Hersteller nicht bestehen. Für nur 13 Prozent der Befragten können die Zusammenschlüsse Pro AvO und Zukunftspakt die Apothekenkooperationen ersetzen und für 55 Prozent kommen die Zusammenschlüsse nicht gegen die geplanten Plattformen der Versandhändler an. Auch Amazon wird in diesem Zusammenhang als zu dominant angesehen. Fast zwei Drittel der Befragten sind der Auffassung, dass es den geplanten Plattformen von Pro AvO und Zukunftspakt nicht gelingen wird, sich gegen Amazon durchzusetzen. „Amazon ist hier das Dark Horse. Es wird viel spekuliert, wo es gerade steht – aber die meisten sind sich sicher, dass es das schnellste Pferd sein wird“, sagt Zander.