EDV-Anbieter verliert Chef

CompuGroup Medical: CEO muss gehen Patrick Hollstein, 02.06.2022 22:08 Uhr aktualisiert am 03.06.2022 08:56 Uhr

Dr. Dirk Wössner, CEO von CGM, muss seinen Hut nehmen. Foto: CGM
Berlin - 

Er sollte der Nachfolger von Firmengründer Frank Gotthardt werden, doch es hat nich geklappt. Der frühere Deutschlandchef der Telekom, Dr. Dirk Wössner, muss als CEO beim Softwareanbieter Compugroup Medical (CGM) nach nur anderthalb Jahren seinen Hut nehmen.

Der Verwaltungsrat von CGM hat sich heute mit Wössner „im gegenseitigen Einvernehmen“ geeinigt, seinen Vertrag als CEO „aufgrund unterschiedlicher Auffassungen hinsichtlich der langfristigen Strategie des Unternehmens“ zum 30. Juni zu beenden.

Einen Nachfolger gibt es nicht, stattdessen wird die Unternehmensspitze umstrukturiert: CFO Michael Rauch wird zum Sprecher der geschäftsführenden Direktoren ernannt und erhält in dieser Funktion als primus inter pares einen Sitz im Verwaltungsrat. Alle funktionalen Bereiche werden unter seiner Leitung gebündelt, sein Aufgabengebiet daher um den neu geschaffenen Bereich der Operational Excellence und die Bereiche Human Resources, Group IT und Legal, Compliance und M&A ergänzt.

Die Anzahl der geschäftsführenden Direktoren wird von bisher sieben auf fünf Personen reduziert. Neben Rauch gehören dem Gremium weiterhin an:

  • Angela Mazza Teufer (Ambulatory Information Systems DACH)
  • Emanuele Mugnani (Ambulatory Information Systems Europe)
  • Dr. Eckart Pech (Consumer and Health Management Information Systems)
  • Hannes Reichl (Inpatient and Social Care)

Frank Brecher, bislang Chief Technology Officer (CTO), gehört nicht mehr zu den geschäftsführenden Direktoren, sondern wird als Senior Vice President Operational Excellence an Rauch berichten. Er soll die bereits eingeleitete Transformation „hin zu stärkerem profitablem Wachstum mit Effizienz- und Prozessverbesserungen“ begleiten.

Gotthardt sagte: „Der Verwaltungsrat ist davon überzeugt, dass der eingeschlagene Weg der konsequenten Digitalisierung und des Plattformwachstums der richtige ist. Mit der neuen Board-Struktur ist Kontinuität in Bezug auf exzellentes Know-How, kompromisslose Kundenorientierung und Innovationsfähigkeit sowie Effizienz und Schnelligkeit in den Prozessen sichergestellt.“ Wössner habe „sehr viel Gutes“ für CGM getan. „Hervorzuheben ist sein strategischer Fokus auf den Ausbau des organischen Wachstums und die Einheit der CGM. Und so möchte ich Dirk Wössner heute im Namen des ganzen Verwaltungsrats meinen Dank sagen für seinen enormen Einsatz für die Ziele der CGM. Wir wünschen ihm alles erdenklich Gute für seine Zukunft.“

Turbulente Phase

Der plötzliche Abgang hat auch Insider überrascht. Der Führungswechsel trifft den Konzern in einer turbulenten Phase. Mitten in die Umstrukturierung fiel im Dezember ein Cyberangriff, mit dem CGM mehrere Wochen lang zu kämpfen hatte. Dazu kommen weitere personelle Abgänge im Management. Auch beim E-Rezept war man lange noch nicht da, wo man sein müsste: CGM Lauer etwa wurde von der Gematik zuletzt als einer von zwei EDV-Anbietern gelistet, die noch nicht komplett bereit seien. Erst seit wenigen Tagen werden die Warenwirtschaftssysteme „WinApo ux“ und „WinApo 64 pro“ wird im TI-Score der Gematik jetzt in der Top-Kategorie „A“ geführt.

Noch vor zwei Wochen präsentierte Wössner bei der Hauptversammlung positive Nachrichten: Man habe das organische Wachstum deutlich beschleunigt und zugleich durch strategische Zukäufe entscheidend verstärkt, sagte er zum Geschäftsjahr 2021. „Es war ein herausragendes Wachstumsjahr für uns. Wir haben 2021 die avisierten Ziele erreicht, insbesondere ein deutliches Umsatzwachstum und ein sehr vielversprechendes organisches Wachstum. Wir haben im vergangenen Jahr zum ersten Mal die 1000 Millionen Euro beim Umsatz überschritten. Das Umsatzwachstum lag mit 22 Prozent annähernd doppelt so hoch wie im Jahr 2020. Und auch das operative Ergebnis ist erneut gestiegen: Um über 4 Prozent auf 224 Millionen.“ Und er betonte: „Wir haben erneut einen Umsatzrekord aufgestellt.“

Er bestätigte in seiner Rede die Prognose für das laufende Geschäftsjahr: „Wir erwarten für 2022 erneut ein deutliches organisches Wachstum von 3 bis 8 Prozent. Wir nehmen Kurs auf einen Konzernumsatz von mehr als 1,1 Milliarden Euro. Das bereinigte Ebitda sehen wir bei 235 bis 260 Millionen Euro, was einer bereinigten Ebitda-Marge zwischen 21 und 24 Prozent entspricht. Unser wirtschaftlicher Kurs steht ganz klar auf Erfolg und Wachstum.“

Übergabe gescheitert

Dass nun anstelle eines neuen CEO eine Teamlösung gefunden wird, deutet darauf hin, dass Gotthardt die Zügel weiter selbst in der Hand halten will. Er hatte 1987 den Grundstein für CGM gelegt und gemeinsam mit vier Zahnärzten das Vorgängerunternehmen Dentev gegründet. Auch wenn er und seine Familie seit einer Kapitalerhöhung nicht mehr die Mehrheit der Aktien halten, haben sie sich die langfristige Kontrolle gesichert: Bei der Hauptversammlung im Mai 2020 wurde die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) beschlossen. Die persönlich haftende Gesellschafterin wird mittelbar von Gotthardt als beherrschendem Gesellschafter gehalten; er hält mehr als 99 Prozent der Anteile. Ziel sei es, bei Kapitalmaßnahmen die „identitätsstiftende Stellung“ des Mehrheitsaktionärs nicht zu gefährden, hieß es damals.