Rabatt-Coupons

BGH verhandelt „Gutschein-Klau“ Alexander Müller, 18.08.2015 08:17 Uhr

Berlin - 

„Wer nicht wirbt, stirbt.“ Ein geflügeltes Wort von Henry Ford. Doch Werbung kostet Geld, beispielsweise das Drucken von Werbeflyern. Die Drogeriemarktkette Müller spart sich diese Kosten gelegentlich und akzeptiert auch Gutscheine der Konkurrenten Rossmann, dm und Douglas. Ob das zulässig ist, muss jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Der Ausgang des Grundsatzstreits dürfte sich auf die gesamte Werbebranche auswirken, auch auf Apotheken.

Müller hatte in verschiedenen Anzeigen dafür geworben, Rabattcoupons anderer Drogeriemärkte und Parfümerien einzulösen. Zum Teil wurden die Konkurrenten sogar namentlich genannt. Die Wettbewerbszentrale hatte darin eine unlautere Behinderung eben dieser Wettbewerber gesehen und gegen Müller geklagt.

Der Vorwurf: Müller gehe es nur darum, die Werbung der Konkurrenz zu stören. Schließlich würden deren Flyer gezielt aus dem Verkehr gezogen. Damit wirkt Müller aus Sicht der Wettbewerbszentrale „unangemessen auf diese bereits entschlossenen Kunden ein“. Denn diese seien eigentlich schon dm, Rossmann oder Douglas „zuzurechnen“. Verbraucher könnten zudem annehmen, es handele sich um eine abgestimmte Werbeaktion der Mitbewerber, daher sei das Coupon-Angebot auch irreführend.

Doch vor Gericht konnte sich die Wettbewerbszentrale bislang nicht durchsetzen. Weder das Landgericht Ulm (LG) noch das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatten Probleme mit der Werbeaktion von Müller. Die Wettbewerbszentrale geht dennoch in Revision, die Begründung soll demnächst nach Karlsruhe zum BGH verschickt werden.

Das LG hatte in erster Instanz zwar „eine erhebliche Behinderung der betroffenen Mitbewerber“ gesehen, nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) kommt es aber auf eine „gezielte Behinderung“ an. Dies sei nicht der Fall, da sich Müller weder aktiv zwischen die Konkurrenz und die Verbraucher stelle, noch diese belästige oder bedränge. Letztlich sei der Verbraucher frei in seiner Entscheidung, wo er die Gutscheine einlösen wolle.

Die Berufung der Wettbewerbszentrale blieb ebenfalls ohne Erfolg: „Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden gehören grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs“, heißt es in der Urteilsbegründung des OLG. Unlauter sei dies erst, wenn der Kunde unangemessen bedrängt, von ihm unbemerkt abgefangen, getäuscht oder bedroht werde. All das sahen die Richter in Gutschein-Fall nicht als gegeben an.

Denn durch den bloßen Besitz eines Gutscheins ist laut OLG noch keine Kundenbeziehung zwischen Drogerie und Verbraucher entstanden, geschweige denn ein Vertrag zu Stande gekommen. Dass sich der Kunde sofort für die Einlösung oder gar ein konkretes Produkt entscheide, sei zudem unwahrscheinlich. Der Kunde sei „in räumlicher wie in zeitlicher Hinsicht noch deutlich von einem Vertragsschluss entfernt“, wenn er zu Hause einen Gutschein in der Post habe.

Müller hatte vorgetragen, die 10-Prozent-Coupons würden auch gar nicht entwertet, die Rabattwerbung der Mitbewerber bleibe in ihrer Substanz erhalten. Der Coupon sei für Müller selbst „lediglich der Anlass, um dem umworbenen Kunden ein gleichgelagertes Rabattangebot zu unterbreiten“.

Die Wettbewerbszentrale widersprach: Es gebe Gutscheine, die nur einmal einlösbar seien und nicht sowohl physisch als auch online. Zudem nehme Müller den Konkurrenten die Möglichkeit, die eigene Werbeaktion auszuwerten. Denn der Code auf den Gutscheinen erlaube eine Analyse. Die Möglichkeit zerstöre Müller durch die eigene Aktion. Mehr noch: Müller soll die eingelösten Gutscheine beim Einlösen selbst nach den Originalanbietern aufgeschlüsselt und so Erkenntnisse über Kundenströme gewonnen haben.

Dem OLG zufolge ist aber nicht alles verboten, was die Werbung eines Wettbewerbers konterkariert oder entwertet. Auch wenn der Werber weiß, dass die Werbung des Konkurrenten nicht mehr so zur Geltung kommt, ist dies grundsätzlich in Ordnung. „Dies kann bis hin zum gezielten Herumleiten um die Werbung eines Konkurrenten gehen“, so das OLG in seiner Begründung des Urteils vom 2. Juli.

Aus Sicht der Wettbewerbszentrale ging es Müller aber nur darum, die Werbemaßnahmen der Konkurrenten zu vernichten. Der eigene Umsatz spiele für die Drogeriekette nur eine Nebenrolle. Vielmehr gehe es darum, die von der Konkurrenz erfolgreich angesprochenen Kunden abzuwerben. Anderenfalls hätte Müller aus Sicht der Wettbewerbszentrale ebenso Gutscheine von Apotheken und Lebensmittelhändlern einlösen können.

Auch das sahen die Richter am OLG anders: Gutscheine anderer Marktteilnehmer einzulösen, sei nicht grundsätzlich unlauter, selbst wenn einzelne Unternehmen namentlich genannt würden. Deren Werbung werde damit auch nicht sinnlos, da die Bekanntheit des Absenders dennoch gesteigert werde. Zudem könnten die Gutscheine nach wie vor bei der Drogerie eingelöst werden, die sie ursprünglich ausgestellt hatte.

Sollte auch der BGH diese Sichtweise bestätigen, erwartet man bei der Wettbewerbszentrale gravierende Folgen für den die Gepflogenheiten in der Werbebranche. Weil es um eine grundsätzliche Frage geht, hat das OLG Revision zum BGH zugelassen. Die Wettbewerbszentrale will den Fall in Karlsruhe klären lassen und hat bereits Rechtsmittel eingelegt.