Nutzenbewertung

AstraZeneca stellt sich dem G-BA Désirée Kietzmann, 27.12.2010 14:23 Uhr

Berlin - 

Für die forschenden Pharmaunternehmen brechen im kommenden Jahr in Deutschland neue Zeiten an. Erstmals müssen sie schon zum Zeitpunkt der Markteinführung belegen, dass ihre neuen Arzneimittel besser sind als etablierte Therapien. Gelingt ihnen der Nachweis des Zusatznutzens, wird mit den Kassen der Preis verhandelt. Der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca will sich als erster dem neuen Verfahren unterziehen.

Der Launch für das neue AstraZeneca-Medikament Brilique (Ticagrelor) ist in Deutschland für den 3. Januar geplant. Die Zulassung der EU-Kommission für den oralen Thrombozytenaggregationshemmer kam Anfang Dezember. Die Markteinführung wäre damit auch noch vor dem Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) möglich gewesen. Doch diese Option hat AstraZeneca nicht gewählt: „Wir haben uns bewusst entschieden, uns dem neuen Verfahren zu stellen“, sagt Dr. Claus Runge, Mitglied der Geschäftsleitung bei AstraZeneca, gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Mit besonderem Wohlwollen seitens des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) rechnet der Konzern nicht: „Es wird keine Vorschusslorbeeren geben, weil die Kriterien für die Bewertung klar sind“, sagt Runge. Je nach Indikation kann ein Zusatznutzen vorliegen, wenn ein Arzneimittel den Gesundheitszustand oder die Lebensqualität verbessert, die Krankheitsdauer verkürzt oder das aber Überleben verlängert. Auch Medikamente, die weniger Nebenwirkungen haben, können als Verbesserung anerkannt werden.


Die Hersteller stehen damit vor der Herausforderung, dass sie mit ihren Studien gleichzeitig die Kriterien für die Zulassung und für die Nutzenbewertung erfüllen müssen. AstraZeneca geht zuversichtlich in das Verfahren: „Ich gehe davon aus, dass wir den Zusatznutzen für Ticagrelor belegen können“, sagt Runge. Die Zulassungsstudie habe gezeigt, dass Brilique schneller und besser wirke als Clopidogrel. Schon zum Zeitpunkt der Markteinführung könne man - wie vom G-BA gefordert - Aussagen zu patientenrelevanten Endpunkten machen.

Zwar wurde die Zulassungsstudie, an der mehr als 18.000 Patienten teilgenommen haben, geplant, lange bevor in Deutschland über die Einführung der frühen Nutzenbewertung diskutiert wurde. Dass man die neuen Anforderungen dennoch erfüllen kann, hängt mit den internationalen Entwicklungen zusammen. „Wir werden in verschiedenen Ländern nach dem Nutzen gefragt. Es reicht heutzutage nicht mehr, lediglich die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit eines neuen Produktes zu belegen“, sagt Runge.

Beim G-BA laufen die Vorbereitungen für das neue Verfahren auf Hochtouren. Bis Ende Januar muss die Verfahrensordnung stehen. Innerhalb von sechs Monaten müssen die Experten über den Zusatznutzen entscheiden; allerdings gibt es bei den ersten Bewertungen längere Übergangsfristen. Bei AstraZeneca ist man optimistisch, dass die Bewertung zügig über die Bühne geht. „Ich gehe davon aus, dass wir im Sommer ein Ergebnis auf dem Tisch haben werden“, sagt Runge.

Je eher der Beschluss vorliegt, desto mehr Zeit bleibt dem Hersteller für die Verhandlung mit den Kassen. Spätestens ein Jahr nach der Markteinführung müssen sich die Parteien auf den Erstattungspreis geeinigt haben. Gibt es keinen Konsens, entscheidet eine Schiedsstelle - der Preis gilt dann rückwirkend zum Ablauf des ersten Jahres.