Apothekenkosmetik

Avène: Ultimatum für Graumarkthändler Carolin Bauer, 13.06.2016 09:58 Uhr

Berlin - 

Apothekenexklusive Kosmetik ist bei Zwischenhändlern begehrt. Apotheken erhalten immer wieder Anfragen von umtriebigen Firmen, die es auf die Präparate abgesehen haben. Derzeit fragt die Firma Vicico aus Hannover nach Thermalwasser-Produkten aus der Offizin. Inhaber sollen ihre Preisvorstellungen nennen. Die betroffenen Hersteller Pierre Fabre und L’Oréal wollen das Unternehmen stoppen und notfalls juristisch gegen den Anbieter vorgehen.

Vicico interessiert sich für sechs verschiedene Thermalwasser-Produkte: Darunter ist das Spray von Avène in zwei Packungsgrößen. „Nach Absprache ist auch der französische Artikel möglich“, heißt es in dem Schreiben an die Apotheker. Weitere aufgerufene Produkte sind das neue Spray von La Roche-Posay, Effaclar Duo + sowie ein Präparat von Vichy.

Das Unternehmen soll mehrere hundert Apotheken angeschrieben haben. Die anvisierte Mengenangabe lässt Großaufträge vermuten: „Wir interessieren uns für die unten genannten Thermalwasser Produkte, jeweils in den Mengen Einheiten von 500 bis +10.000 Stück“, heißt es. Angeblich soll die Drogeriemarktkette Müller hinter den Anfragen stehen. Dort war auf Nachfrage niemand zu erreichen.

Die Pharmazeuten sollen laut Vicico die Verfügbarkeit und den Nettopreis pro Stück nennen. Außerdem wird eine regelmäßige Partnerschaft angestrebt: „Wir sind auch sehr gerne an kontinuierlichen Geschäften interessiert und gegebenenfalls auch andere Produkte“, endet die Mail, die von Geschäftsführer Viktor Unfericht geschickt wurde. Für eine Stellungnahme war er auf Nachfrage nicht zu erreichen.

Die betroffenen Hersteller sind in Alarmbereitschaft: Pierre Fabre hat Vicico ein Ultimatum gestellt: Das Unternehmen soll „von der automatisierten Unterbreitung wahlloser und massenhafter Kaufofferten Abstand“ nehmen, fordert Rechtsanwalt Dr. Nils Rauer von der Frankfurter Kanzlei Hogan Lovells International. Die Frist für die Rückmeldung endet am Mittwoch.

Der französische Kosmetikhersteller prüft nach Angaben von Geschäftsbereichsleiter Sebastian Werner rechtliche Schritte. „Unsere Bemühungen, den Graumarkt zu unterbinden sind weiterhin erfolgreich, so dass sich der Schwarzmarkt jetzt sogar per Serienbrief an die breite Masse der Apotheken wendet.“ Die Pharmazeuten sollten die Offerte direkt zurückweisen. „Nur gemeinsam können wir eine Exklusivität gewährleisten“, betont er.

In dem Anwaltsschreiben an Unfericht wird Pierre Fabre noch deutlicher: „Die Apotheken goutieren Ihre Ansprache in keiner Weise.“ Dies zeige sich daran, dass der Hersteller in größerer Zahl Beschwerden der Empfänger erhalte. „Ihre E-Mails werden als Spam empfunden.“ Pierre Fabre vertreibe die Produkte apothekenexklusiv.

Eine adäquate Kundenberatung durch dermatologisches Fachpersonal sei ein Kernelement der Vertriebsphilosophie. Im Interesse der kontaktierten Apotheken liege es nicht, die Produkte „statt an Endkunden massenweise in den Wiederverkauf außerhalb von Apotheken zu bringen“.

Auch L’Oréal hat die Firma bereits im Visier: „Dieser Graumarkthändler und seine Aktivitäten sind uns bekannt“, sagt Thomas Faschian, der für den französischen Konzern den Vertrieb der Apothekenlinie verantwortet. Vicico habe nicht nur mehr als 200 Apotheken, sondern auch bei L’Oréal direkt angefragt. „Wir selbst beliefern natürlich nicht und auch unsere Kunden lehnen eine Belieferung ab.“

Der Düsseldorfer Hersteller hat mit Apotheken und Großhändlern im Gegensatz zu Pierre Fabre Depotverträge abgeschlossen, in denen der Weiterverkauf ausschließlich an autorisierte Händler geregelt ist. „Diese und weitere Kontrollmechanismen, wie das Cutten der Belieferung bei auffälligen Mengen, ermöglichen uns ein enges Monitoring, Aufdecken und Unterbinden von derartigen Marktaktivitäten.“

Zudem würden im aktuellen Fall rechtliche Schritte geprüft, so Faschian. Der Düsseldorfer Konzern ist bereits erfolgreich gegen Graumarkthändler vorgegangen. Vor dreieinhalb Jahren wurde einem saarländischen Unternehmen vom Landgericht Saarbrücken per einstweiliger Verfügung verboten, Apotheker zur Abgabe von Vichy-Produkten an ihn zu veranlassen.

Der Unternehmer ging im Vergleich zu Vicico noch einen Schritt weiter: Er stellte den Apotheken konkrete Ratschläge vor, wie die vertragswidrige Lieferung gegenüber L'Oréal verschleiert werden kann. Auch diese Ratschläge zur Umgehung der Apothekenexklusivität wurden ihm von den Richtern untersagt.

Vicico hat laut Unternehmenswebsite nichts mit Apotheken zu tun, sondern ist auf den Vertrieb von Fruchtsäften der Marke Frugo aus Polen spezialisiert. Der 2014 gegründete Betrieb beschreibt sich selbst als „Großhändler von Lebensmitteln jeglicher Art“. Auch trendige Lifestyle-Produkte gehörten dazu. „Deshalb sind wir weltweit auf der Suche nach einzigartigen und qualitativen Produkten, welche den deutschen Markt bereichern und seine Vielfalt steigern sollen“, heißt es bei Facebook.

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