Amazon-Marktplatz: Halbe Milliarde mit OTC 29.12.2025 13:16 Uhr
Erst Shop Apotheke, dann DocMorris und dann lange nichts? Tatsächlich mischt neben den beiden großen Versendern längst auch Amazon im Versandhandel mit Apothekenmarken mit. Über den Marktplatz werden von einer Vielzahl von Anbietern OTC- und Freiwahlprodukte angeboten; die Hersteller sichern sich eine prominente Platzierung in Gestalt von eigenen Markenshops. Wie eine Analyse der Unternehmensberatung eBazaaris zeigt, summiert sich das Geschäft mittlerweile auf eine halbe Milliarde Euro.
Nach einem Wachstum von 21 Prozent dürfte laut Studie in diesem Jahr ein Umsatz von 500 Millionen Euro erreicht werden, der mit Apothekenprodukten über Amazon abgewickelt wird. Stärkste Kategorie ist Hautpflege/Dermatologie; alleine auf diesen Bereich entfällt ein Viertel des gesamten Umsatzes. Hier lag das Wachstum bei 32 Prozent. Auch die Kategorien Augen/Nase/Hals/Ohren (plus 35 Prozent), Antiinfektiva/Pilzmittel (plus 31 Prozent), Magen-Darm/Stoffwechsel (plus 25 Prozent), Schmerz/Erkältung (plus 20 Prozent) sowie Vitamine/Mineralstoffe (plus 16 Prozent) zeigen demnach eine große Dynamik. Das größte Wachstum wird mit 65 Prozent in der Kategorie Tiergesundheit erzielt; hier ist auch der Umsatz pro Produkt (insgesamt 276) mit durchschnittlich 109.000 Euro am größten.
Top-Seller und Marken-Heros
Auffällig: Insgesamt werden 80 Prozent des Umsatzes mit nur 1980 Produkten erzielt, das entspricht gerade einmal 10 Prozent des gesamten Angebots. Mit jeweils nur wenigen Produkten erzielen Marken wie Kijimea (23 PZN), Regaine (12 PZN), Frontpro (16 PZN) oder Omnibiotic (26 PZN) laut Studie überdurchschnittlichen Umsatz. „Ein Zeichen für hohe Conversion, starke Differenzierung und wirksame Retail Media Strategien“, kommentiert Geschäftsführer Jasper Balkenhol.
Gleichzeitig werde der Markt weiterhin von etablierten Marken mit starker Markenbekanntheit und breitem Sortiment dominiert, darunter La Roche-Posay (180 PZN), Doppelherz (252 PZN), Ratiopharm (264 PZN), Weleda (242 PZN) und Eucerin (145 PZN). „Diese profitieren von hohem Vertrauen und flächendeckender Präsenz, benötigen aber höheren Aufwand in der Aussteuerung des breiten Sortiments.“
Zusammen erzielen die Top-10-Marken rund 100 Millionen Euro, also etwa 20 Prozent des Gesamtumsatzes. „Der Großteil des Marktes 80 Prozent entfällt auf eine Vielzahl kleinerer Marken, was auf eine starke Fragmentierung hindeutet.“
Wachstum bei kleineren Marken
Vor allem kleinere Marken wachsen allerdings deutlich überdurchschnittlich. An der Spitze liegt PureSGP mit einem Plus von 2443 Prozent, gefolgt von Baldriparan (PharmaSGP) mit 351 Prozent, Frontpro (Boehringer) mit 293 Prozent und Ocentisept (Schülke) mit 176 Prozent. Auch La Roche-Posay (L‘Oréal) kommt mit einem breiten Angebot von 180 Artikeln auf 150 Prozent – „ein klassischer Volumentreiber“, so Balkenhol.
Der Erfolg von PureSGP zeigt laut Balkenhol, dass auch klassische Hersteller mit den richtigen Stellschrauben auf Amazon schnell relevante Marktanteile gewinnen können. PharmaSGP positioniere sich mit seinem eigenen Shop auf Amazon in einem stark kompetitiven Marktumfeld und greife Marken an, die bereits erfolgreich exklusiv über die Plattform vertrieben würden. „Mit dem Kollagen-Produkt wird gezielt eine neue Zielgruppe im Beauty- und Lifestyle-Segment angesprochen. Der Launch zeigt, dass gezielte Sortimentserweiterung über klassische Kernzielgruppen hinaus möglich ist.“
Zwei weitere Beispiele: Der Markenshop für ACC akut (Hexal) sei mit Blick auf den Content, aber auch die KI-Optimierung und Bildsprache beziehungsweise Produktplatzierung gut konzipiert. Dagegen sei Allegra (Sanofi) vor allem während der Heuschnupfensaison durch eine rigorose Kampagne aufgefallen: „Allegra war über Wochen auf allen generischen Keywords mit verschiedenen Produkten und Bundles sichtbar.“ Nahezu jede Suche im Bereich „Heuschnupfen“ habe zu Kontakt mit der Marke geführt. „So wird starke Awareness durch Sponsored Products generiert“, so Balkenhol. „Ziel war klar die Verdrängung der Konkurrenz durch Dominanz auf generischen Begriffen.“
Starke Konkurrenz
An zwei Rubriken zeigt Balkenhol, welche Herausforderungen es bei Amazon geben kann: Hautpflege/Dermatologie ist mit 123 Millionen Euro die größte, Schmerz/Erkältung mit 61,5 Millionen Euro die drittgrößte Kategorie. Aber während bei der medizinischen Kosmetik die Top-10-Produkte 17 Prozent des Kategorieumsatzes ausmachen, ein kleiner Teil des Sortiments also wesentlich zur Gesamtleistung beiträgt, liegt Schmerz/Erkältung nur auf Platz 14 beim Umsatz pro Produkt. „Das ist ein deutliches Zeichen für hohen Wettbewerbsdruck und viele niedrigpreisige Artikel. Neue Produkteinführungen sind hier
schwer.“
Balkenhol rät Herstellern, über eigene Verkäufe an Endkunden nachzudenken, außerhalb klassischer OTC-Zielgruppen zu denken und mit einer klaren Content- und Werbestrategie bei Amazon aufzutreten.
Für die Analyse wurden mit dem von eBazaaris entwickelten Tool „Helium10“ fast 3500 Marken und 24.000 Produkte getrackt. Im Fokus standen Produkte, die nachweislich von Apotheken auf Amazon vertrieben werden. Marken, die nicht über Apotheken gelistet sind – wie Natural Elements – wurden bewusst nicht berücksichtigt, um eine bestmögliche Vergleichbarkeit mit bestehenden Apotheken- und Vertriebskanälen zu gewährleisten. Die Umsatzdaten wurden unabhängig von der jeweiligen Apotheke erhoben, sodass laut Balkenhol eine objektive Bewertung der Marktperformance möglich istt. Für die Monate November und Dezember wurden auf Basis der bisherigen Jahresentwicklung sowie der Vorjahresdaten Prognosen erstellt.