ADHS: Engpass bei Methylphenidat und Alternativen 06.05.2025 08:00 Uhr
Methylphenidat-haltige Arzneimittel sind seit über einem Jahr knapp. Die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldete Liste der Lieferengpässe ist lang. Zu Wochenbeginn meldete Hexal einen Engpass für Methylphenidathydrochlorid in den Wirkstärken 36 mg und 54 mg als Retardtablette. Der Ausfall soll voraussichtlich bis Ende Juli andauern. Als Ursache nennt das Unternehmen eine erhöhte Nachfrage. Als Alternative kommen Atomoxetin-haltige Arzneimittel infrage, doch auch diese sind von Engpässen betroffen. Medice meldet jedoch Verfügbarkeiten.
Methylphenidat wird zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS) eingesetzt. Der Arzneistoff gehört zu den Amphetamin-ähnlichen Substanzen und wirkt stimulierend im zentralen Nervensystem. Das indirekte Sympathomimetikum hemmt die Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin. Somit erhöht sich die extrazelluläre Konzentration.
Eine Alternative ist Atomoxetin. Der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer kommt ebenfalls zur ADHS-Behandlung zum Einsatz und ist für Betroffene ab einem Alter von sechs Jahren zugelassen. Der Arzneistoff hemmt den präsynaptischen Noradrenalin-Transporter (NET). In der Folge wird die Wiederaufnahme von Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt gehemmt. Der Anteil von Atomoxetin an allen Wirkstoffen, die bei ADHS eingesetzt werden können, beträgt nur etwa 4 Prozent. Zum Vergleich: 77 Prozent aller ADHS-Behandlungen erfolgen mit Methylphenidat.
Doch beide Wirkstoffe sind von Lieferengpässen betroffen. Im August vergangenen Jahres meldete das BfArM, dass bei einem griechischen Hersteller Atomoxetin-haltiger Arzneimittel ein Qualitätsmangel in der Herstellung von Hartkapseln aufgetreten war und zu starken Schwankungen im Wirkstoffgehalt geführt hat. Betroffene Präparate wurden zurückgerufen und der Hersteller die Produktion zwischenzeitlich ausgesetzt, um die Ursache zu analysieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Derzeit haben 1A Pharma, Betapharm, Glenmark, Heumann, Medice und Neuraxpharm einzelne Lieferengpässe Atomoxetin-haltiger Arzneimittel beim BfArM gemeldet.
Bei Methylphenidat müssen seit Juni 2023 festgelegte Grenzwerte eingehalten werden, da auch der Wirkstoff von Nitrosaminverunreinigungen betroffen war. Durch die zusätzlichen Tests verzögern sich die Freigaben. Neben Hexal melden auch 1A Pharma, Aliud, Aristo, Janssen-Cilag, Neuraxpharm, Ratiopharm, TAD und Takeda Engpässe bei Methylphenidat-haltigen Arzneimitteln. Concerta (Janssen-Cilag) hat voraussichtlich bis Ende des Jahres eine eingeschränkte Lieferfähigkeit.
Hinzu kommt, dass Methylphenidat in unterschiedlicher Galenik im Handel ist. Darunter auch Retardkapseln. Diese dürfen nicht mehr gegeneinander ausgetauscht werden. Grundlage ist eine Änderung der Substitutionsausschlussliste, der ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) zugrunde liegt. Demnach gilt: „Hartkapseln mit veränderter Wirkstofffreisetzung mit unterschiedlichen sofort und verzögert freisetzenden Wirkstoffanteilen (z. B. 50 Prozent/50 Prozent und 30 Prozent/70 Prozent) dürfen nicht gegeneinander ersetzt werden.“
Medice kann liefern
Medice kann nach eigenen Angaben Medikinet Tabletten zu 5, 10 und 25 mg liefern – ebenso Medikinet retard zu 5, 10, 20, 30, 40, 50 und 60 mg und Kinecteen (Methylphenidat) zu 18, 27, 36 und 54 mg Retardtabletten. Agakalin (Atomoxetin) fällt zu 10, 18 und 80 mg aufgrund der Erarbeitung einer Reformulierung aus. Die anderen Stärken sind verfügbar.
Allerdings weist Medice auf die Umstellung auf das neue Versandzentrum hin. Daher könne es vereinzelt zu Lieferverzögerungen beim Großhandel kommen. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der BTM-Kommissionierung, um offene Aufträge schnellstmöglich zu bedienen und die Versorgung der Großhändler und Apotheken sicherzustellen“, heißt es.
Neben Methylphenidat und Atomoxetin werden Amphetamin/Dexamphetamin und für Kinder und Jugendliche Guanfacin bei ADHS eingesetzt.